Magdeburger Koodinierungsstelle "lostart" weiß seit April 2012 vom Münchner Kunstwerke-Fund Matisse und Courbet im Versteck
Mehr als 1000 Kunstwerke wurden in einer Münchener Wohnung entdeckt.
Erste Einzelheiten gab die Staatsanwaltschaft jetzt in Augsburg bekannt.
Magdeburg l Nein, überrascht wurde Michael Franz nicht von der Meldung, dass in einer Münchner Wohnung mehr als 1000 Kunstwerke gefunden wurden, wie das Nachrichtenmagazin Focus am Montag berichtete. Der Leiter der Magdeburger Koordinierungsstelle "lostart" weiß bereits seit April 2012 von dem Münchner Fund.
Die Koordinierungsstelle, die die Datenbank www.lostart.de betreibt, wurde um Hilfe bei den Recherchen der Augsburger Staatsanwaltschaft zur Herkunft der Bilder gebeten. Zwar weiß man, dass die Bilder aus dem Besitz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895-1956) stammen.
Doch woher Gurlitt die Bilder hat, wird sich wohl erst nach und nach klären lassen, denn ausführliche Forschungen über Hildebrand Gurlitt gibt es bisher nicht. Da er aber zu den vier von Hitlers Propagandaministerium autorisierten Kunsthändlern gehörte, die als "entartet" beschlagnahmte Kunst aus deutschem Museumsbesitz aufkaufen und weiterverkaufen durften, ist zumindest über sein Leben einiges bekannt: Gurlitt, 1895 in Dresden geboren, war Kunsthistoriker und leitete bis 1930 das Zwickauer Kunstmuseum.
Abschließend ging er nach Hamburg und wurde für drei Jahre Leiter des Hamburger Kunstvereins. Danach machte er sich als Kunsthändler selbständig, wurde Einkäufer für Hitlers geplantes Führermuseum in Linz und - gemeinsam mit seinen Kunsthändler-Kollegen Ferdinand Möller und Karl Buchholz aus Berlin und Bernhard A. Böhmer aus Güstrow - Händler im Auftrag des Staates. Da diese vier vor allem mit der sogenannten "Entarteten Kunst" aus deutschem Museumsbesitz handelten, geht die Berliner Forschungsstelle "Entartete Kunst" dem Weg dieser Werke nach, während sich die Magdeburger Koordinierungsstelle um Raubkunst und Beutekunst kümmert. Als Raub- und Beutekunst gelten alle Kunst-Verluste privater Sammler und öffentlicher Museen während der Nazizeit - egal ob die Werke gestohlen wurden oder unter Zwang verkauft werden mussten.
Picasso, Chagall und Co
Zu ihnen zählen auch die Werke, die russische Trophäenbrigaden oder Soldaten der Alliierten nach dem Krieg mitnahmen. Die Forschungsstelle "Entartete Kunst" hat am Dienstag zusammen mit der Augsburger Staatsanwaltschaft nun erste Einzelheiten zum Fund bekannt gegeben. Danach wurden 1285 ungerahmte und 121 gerahmte Bilder in einem guten Zustand in der Münchner Wohnung gefunden.
Die Werke stammen von so bedeutenden Künstlern wie Picasso, Chagall, Marc, Nolde, Spitzweg, Renoir, Macke, Courbet, Beckmann, Matisse, Liebermann, Dix, Kokoschka, Schmidt-Rottluff, Toulouse-Lautrec und Kirchner. Einige von ihnen seien bisher gänzlich unbekannt und nicht in Werkverzeichnissen aufgeführt, hieß es. Das älteste stamme aus dem 16. Jahrhundert, sagte Meike Hoffmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle "Entartete Kunst", die die Bilder begutachtet hat. Hoffmann ist auch Kunsthändler-Expertin. 2010 erschien ihre ausführliche Biografie des Gurlitt-Kollegen Bernhard A. Böhmer.
Nach Angaben des Zollfahndungsamts München wurde die Wohnung erst am 28. Februar 2012 durchsucht und nicht 2011. Michael Franz hat also schon kurz nach der Entdeckung von dem spektakulären Fund erfahren. Ab April 2012 habe er den bayrischen Behörden seine Datenbank und ihre Nutzung erklärt. Aktuell haben bei "lostart" 1400 verschiedene Einrichtungen und Personen aus der ganzen Welt ihre 154 000 vermissten oder gefundenen Kunstgegenstände detailliert beschrieben. Dazu kommen mehrere Millionen allgemeine Verlust- und Fundanzeigen.
Gesucht hätten die bayrischen Behörden bei "lostart" dann selbst, sagt Franz. Ob sie etwas gefunden haben und was, will er nicht verraten. "Lostart stellt über seine Internetdatenbank Informationen bereit. Über laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg kann ich nichts sagen", so Franz. Da besonders nebulöse Antworten meist bedeuten, dass etwas gefunden wurde, werden sich die Besucherzahlen auf Franz\' Internetseite wohl noch weiter steigern. Seit Montag hat sich die Zahl der Zugriffe auf www.lostart.de mehr als verzehnfacht.
Auf die weiteren Ermittlungen hofft auch die Stiftung Moritzburg. Sie vermutet, dass neben einem Bild von Franz Marc, das einst der Burg gehörte, weitere Werke auftauchen.