Neue DVD enthält alle Auftritte von Hüsch und Hildebrandt im "Scheibenwischer" Meisterwerke der politischen Satire
Der eine bezeichnete sich gern selbst als literarischen Kabarettisten, der andere hat über Jahrzehnte das politisch-satirische Kabarett in Deutschland geprägt: Hanns-Dieter Hüsch und Dieter Hildebrandt. Jetzt gibt es beide auf einer DVD. Satire, wie sie besser nicht sein kann.
Magdeburg. l Nach dem Einlegen dieser DVD fühlen sich Kabarettfans ein bisschen wie im Paradies. Wobei schon der vorangegangene Blick auf das Cover und die damit verbundene Information über den Inhalt der Scheibe Glücksgefühle aufkommen lassen: Alle gemeinsamen Auftritte der beiden Legenden im "Scheibenwischer" aus den Jahren 1980 bis 2001 sind enthalten und sämtliche Soli von Hüsch aus diesem Zeitraum.
Die Freude steigert sich noch, wenn der Blick auf die Laufzeit fällt: Rund 160 Minuten währt diese Reise in die Geschichte Deutschlands und des "Scheibenwischers".
Schon bei der ersten Szene kommt Wehmut auf - ein mit spärlichem Haar ausgestatteter, aber doch fast jugendlich frisch wirkender Hüsch lässt Erinnerungen an seinen Tod im Jahr 2005 aufkommen. Von Krankheit gezeichnet, verließ er am 6. Dezember vor sieben Jahren unwiderruflich die deutsche Kleinkunstbühne. Doch für Trauer lässt die DVD keine Zeit. Hüsch und Hildebrandt bombardieren den Zuschauer und -hörer förmlich mit geschliffenen Dialogen und Pointen.
Meisterlich beispielsweise ein Wort-Duell, in dem es um die Frage geht, was eigentlich zuerst kommt - die Kunst oder der Mensch. Innerhalb kürzester Zeit landen die beiden bei Brechts Zitat vom Fressen und der Moral, dann wird korrigiert, dass ja eigentlich das Wort zuerst kommt und der Glaube, bis die beiden über den Frieden schließlich zum Einzelhandel, zur Gesundheit und zum Geld kommen, um dann irgendwann festzustellen, dass der Mensch bei all dem, was wichtig ist und zuerst kommt, Stück für Stück nach hinten und unten rutscht.
"Lebensphilosophien", die heute noch aktuell sind
Szenen wie diese gehören zu den Perlen, zu den Meisterwerken der politischen Satire, weil sie das künstlerische Wort auf dessen emotionale Quintessenz reduzieren und damit seine Wirkung potenzieren.
Im Volksstimme-Interview bekannte Dieter Hildebrandt einmal, dass es ihm ein "himmlisches Vergnügen bereitet habe, mit Hanns-Dieter Hüsch eine Szene zu spielen". Genau diese Spielfreude ist unübersehbar. Hier agieren zwei leidenschaftliche Kabarettisten, deren Vorliebe für die Gesellschaftskritik sie im Miteinander zu Höchstleistungen führt und die sehr wohl um die Wirkung ihrer gemeinsam gespielten und gesprochenen Worte wissen. Faszinierend ist dabei vor allem die thematische Vielfalt. Es geht keineswegs nur um aktuelle politische Ereignisse, sondern um "Lebensphilosophien", die zum Teil bis heute höchst aktuell sind. So die Frage, was eigentlich einen Menschen zum Faschisten machen würde - sehr schnell wird deutlich, dass es dafür keinen Völkermord braucht - die Bereitschaft, ein bisschen zu diskriminieren wäre da schon ein Anfang. Und seien es auch nur die Raucher ...
Gleichermaßen amüsant wie ernüchternd sind ihre Ausführungen über das Fernsehen - hier wird das Bild eines Molochs gezeichnet, der Ideen im Keime erstickt, weil der Verwaltungsapparat in gegenseitigen Gefälligkeiten, Eitelkeiten und Kompetenzstreitigkeiten erstickt.
Die beiden moralisieren auf höchstem Niveau
Die Gesellschaft, die Politik, das Leben, die Wissenschaft, die Medien - Hüsch und Hildebrandt stecken ihre verbalen Finger in Wunden, von deren Existenz die meisten Menschen nicht einmal etwas wissen.
Sie moralisieren auf höchstem intelektuellem, und unglaublich unterhaltsamem Niveau. Hüsch, der sich auch gern einen "philosophischen Clown" nannte, ergab mit dem Zyniker Hildebrandt ein kleinkünstlerisches Konglomerat, das über Jahrzehnte hinweg Kabarettgeschichte geschrieben hat.
Ein winziger Wermutstropfen ist das technische Niveau - hier hat man in die Nachbearbeitung nicht allzuviel investiert - und ein eher lieblos gestaltetes Menü, aber das erhöht letztendlich nur die Authentizität dieser seltenen Perle aus der deutschen Fernsehwelt ...