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Nordharzer Städtebundtheater inszeniert Oper im Bergtheater Thale Mozarts "Zauberflöte" in theatraler Berglandschaft

27.06.2011, 04:43

Kalt, regnerisch und stürmisch – der Sommerabend erforderte Durchhalten im Bergtheater Thale. Die Inszenierung des Nordharzer Städtebundtheaters von Mozarts "Zauberflöte" aber wärmte mit der Musik der Oper am Freitag das Herz. Zumindest bis zur Pause. Dann kam ein Regenguss, bei dem Bergtheater und Harzvorland in der Flut versanken. Dennoch vier Minuten Beifall der nassen Zuschauergemeinde für das konzertante Finale.

Von Hans Walter

Thale. Die sängerischen und instrumentalen Leistungen waren hervorragend. Der junge scheidende 1. Kapellmeister Martin Hannus formte Mozarts Musik aus dem Esprit und dem märchenhaften Geist des Werks und hielt – mit weißem Smoking im Regen stehend – die Ensembles spielerisch leicht zusammen. Bei der Regie (Christian Poewe) und vor allem dem Bühnenbild (Lena Brexendorff) aber fragte man sich, wo Mozarts Märchen-, Zauber- und Liebesoper auf dem Berg wohl hindriftet.

Poewe modellierte schon zur Ouvertüre des filigran und flirrend aufspielenden Orchesters aus dem Damen- und Herrenchor seine Helden: den dienend Schuhe putzenden, hinterhältigen Mohren Monostatos (Tobias Amadeus Schöner); die drei Damen (Kerstin Pettersson, Regina Pätzer und Gerlind Schröder). Die ziehen lange Mäntel und Sonnenbrillen an und begegnen Prinz Tamino, der vor einer Schlange flüchtet, die aber keine ist, sondern dem Prinzen erst als langes Tau um den Körper gewunden wird. Wie die Schlangen in der Laokoon-Gruppe. Schäbig wackelnde Wohnzimmertüren aus dem Baumarkt und 24 mit einem Eckchen Gold beklebte Stühle werden wechselnd auf die Szenerie gestellt und sollen Handlungsräume andeuten.

Also wird die Felsengegend des Bergtheaters zum geheimnisvollen Ort für den Hilfe suchenden Tamino (Xiaotong Han). Ergo wieder zur Original-Felsengegend, wo er – das Bild der drei Damen vor Augen – die lyrische Bildnisarie singen und Bekanntschaft mit dem prahlenden Papageno (Florian Rosskopp) schließen wird. Dann flieht Pamina (Nina Schubert) aus Sarastros Palast – gewandet in ein grünes Top mit kurzem Plisseerock.

Die Idee mit permanent wechselnden Türen wird spätestens nach dem Koloraturauftritt der Königin der Nacht (Yael Levita) mit "O zittre nicht, mein lieber Sohn" unsinnig, als die Akteure mal durch die Türen schreiten und mal daneben. Spätestens da ist die Oper im Niemandsland, in der Pappmaché-Welt einer hellblau getünchten Pyramide angekommen. Ihre Spitze klappt ab wie ein geköpftes Ei; Sarasto (Gijs Nijkamp) schmettert seine Arie, damit auch der nichtkundige Zuschauer erkennen kann: Aha, ein Pyramidchen! Aha, ein Freimaurer! Pause. Programmzettel? Gab es nicht.

Über den weiteren szenischen Verlauf der "Zauberflöte" ist nur zu mutmaßen. Poewe – der 2008 "Papageno spielt auf der Zauberflöte" und 2010 die Märchenoper "Hänsel und Gretel" intelligent für das Nordharzer Städtebundtheater inszenierte – bestach damals vor allem mit sozial genauer Figurenzeichnung, mit zauberhaftem, geradezu magischem Licht und dem Verzicht auf alles Überflüssige. Für die Freilicht-Inszenierung im riesigen Bergtheater dürfte Lena Brexendorff mit strenger Stilisierung besser beraten sein. Berg und festes Haus – die Ästhetik ist gar zu unterschiedlich. So spielen im zweiten Teil der Oper außer den erwähnten Türen und Stühlen noch zwei Löwen, eine Schultafel nebst Schwamm, 16 Obstkisten, ein Marktwagen, eine Ottomane, fünf Schachfiguren, zwei Leitern nebst allerlei Figuren aus dem Antiken-Steinbruch, zwei Glocken und ein Mühlrad mit. Werden sie bespielt? Die theatrale Gebirgslandschaft widersetzt sich diesen putzigen Kunstgewerbe-Zutaten. Dieser Raum wirkt vor allem durch seine archaische Kraft. Aber ab 23. September ist die Oper auch in den festen Häusern zu sehen.

Wie stark ein uninszeniertes Finale auf dem Berg wirken kann, zeigte sich bei strömendem Regen, als es Martin Hannus als Entschädigung für die ausharrenden Zuschauer anstimmte. Die Bühne war überschwemmt, die Sängerinnen und Sänger sangen unter Regenschirmen, und zu guter Letzt bat Hannus noch die Orchestermusiker ins Nass. Da wurde ein Hauch der Entwicklung des Menschen durch die erlösende Kraft der Liebe spürbar. Und sei es durch die Liebe unter widrigsten Umständen zum Publikum.