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Orchesterprobe Profis fördern Nachwuchs

Ein deutschlandweit einmaliges Format: Am Halberstädter Theater arbeiten Nachwuchskomponisten mit Profimusikern zusammen.

Von Grit Warnat 23.05.2018, 01:01

Halberstadt l „Waren die Akzente der Blechbläser so okay?“, fragt MD Johannes Rieger in den Zuschauerraum des von ihm geleiteten Theaters. „Etwas kraftvoller dürfen sie sein“, hört er als Antwort von Christian Brandenburger, der mit Notenheft in der einen Hand undBleistift in der anderen im gut gepolsterten Zuschauerraum sitzt. Der Chefdirigent dreht sich zu seinem Orchester, hebt den Taktstock. Geigen und Blechbläser werden lauter. Die Trommel steigt ein. Was da im Großen Saal des Theaters erklingt, ist die musikalische Traumlandschaft von Christian Brandenburger.

Christian Brandenburger ist 14. Der gebürtige Bonner war fünf, als er ersten Klavierunterricht erhielt. „Ich habe immer die Musik anderer gespielt. Bis ich selbst angefangen habe, Noten aufzuschreiben“, erzählt er in einer kleinen Pause. Seit 2012 erhält er Kompositionsunterricht an der Rheinischen Musikschule in Köln, erhielt zahlreiche Preise und war bereits dreimal Preisträger des Bundeswettbewerbes „Jugend komponiert“.

Das Theater in Halberstadt kennt er schon. Der Schüler war 2017 bereits Teilnehmer der Orchesterwerkstatt und erhielt den Preis der Deutschen Orchesterstiftung. „Ich hat viel Spaß gemacht. Vor allem aber habe ich viele wertvolle Erfahrungen sammeln können“, sagt er und erzählt, dass er jetzt für das Orchester klarer geschrieben habe. „Ich weiß heute eher, was funktioniert.“ Deshalb sei die erneute Bewerbung für ihn keine Frage gewesen.

Christian Brandenburger sitzt wieder im Saal, fünf weitere Nachwuchsmusiker neben ihm, darunter Helene Scharfe aus Dresden, das einzige Mädchen im Bunde. Alle sind sie zwischen 11 und 15 Jahre, kommen aus Niedersachsen, Hamburg, Hessen, Sachsen, Nordrhein-Westfalen. Ausgesucht wurden sie aus 15 Bewerbungen, weil sie, so der veranstaltende Landesmusikrat, besonders begabt sind. Jetzt gibt es für sie Seminare und Gespräche über ihre Werke mit den Komponisten Annette Schlünz vom Concervatoire Strasbourg und Martin Christoph Redel, Dozent an der Musikhochschule Detmold, und jede Menge Hinweise von Johannes Rieger. Er ist seit vielen Jahren mit spürbarer Leidenschaft Werkstattleiter.

Die Musiker auf der Bühne unterbrechen ihr Spiel. Rieger schaut wieder in den Saal. Er gibt Hinweise, zwischendrin kleine Späße, alles auf Augenhöhe. „Dieser Übergang ist risikobehaftet. Ich empfehle ein langsameres Tempo“, sagt er zu Christian Brandenburger. Der nickt und macht sich eine Notiz. Solche Hinweise seien unglaublich wertvoll, hatte er kurz zuvor in der Pause gesagt. Das Orchester spielt seine Traumlandschafts-Komposition, die mal ruhig ist, mal energiegeladen, im Albtraum beängstigend. Der 14-Jährige strahlt. Es ist das erste Mal, dass er diese, seine Klangfarben mit großem Orchester erleben kann. „Das ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt er.