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Muttersohn und Frauenheld - Die Facetten des Erich Kästner Ein Archiv in Marbach sammelt den Nachlass des Schriftstellers

11.12.2013, 01:14

Stuttgart (dpa) l Gerade steht er da, in seiner Militäruniform. Umgeben von Bäumen wirkt der "einjährige Freiwillige" fesch und stolz. Doch wer die Gesichtszüge des jungen Erich Kästner genau studiert, der erkennt: Irgendetwas stimmt da nicht. "Der Sergeant hat ihn zum Pazifisten geprügelt", erzählt Frank Druffner vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach in Baden-Württemberg. Und seine Kollegin Rosemarie Kutschis ergänzt: "Die Abneigung hat bis zum Lebensende gehalten. Der Drill brachte ihm einen lebenslangen Herzfehler ein."

Die beiden haben sich systematisch durch den Nachlass des Schriftstellers (1899-1974) mit rund 3000 Fotos gearbeitet. Die meisten Bilder haben sie archiviert. Sie liegen in Ordnern, geschützt von Pergamenttaschen. "Der Nachlass ist ungewöhnlich dicht", schwärmt Druffner. Grob unterscheiden sie zwischen drei Gruppen: Privatfotos, von denen viele Schnappschüsse sind. Atelierfotos, die oft zu Werbezwecken gemacht wurden. Und Zeitdokumente, die meist in Zeitungen veröffentlicht wurden. Vor allem die Privatfotos sprechen Bände. Beschriftungen auf ihrer Rückseite erzählen Geschichten. Manche Bilder, wie das Soldatenfoto, erinnern auch an weniger bekannte Facetten des schelmischen Kinderbuchautors.

Dazu gehört auch das verhätschelte und überbehütete Muttersöhnchen. Schon als blond gelocktes Baby auf dem Eisbärenfell war der Knirps Mamas ganzer Stolz. Selbst als renommierter Schriftsteller sollte das Einzelkind noch eine sehr enge Bindung an die Mutter haben. Seine Lebensgefährtin Luiselotte Enderle heiratet Kästner nie, der Sohn Thomas stammt von einer anderen Frau. Dass ihm die Frauen zu Füßen gelegen haben, scheint angesichts mancher verschmitzt-charmanten Porträts durchaus naheliegend.

Auch Kästners beruflicher Erfolg spiegelt sich in den Bildern wider. Die Zeitdokumente-Fotos zeigen den Autor bei Preisverleihungen und Filmpremieren, im literarischen Kabarett "Die Schaubude" in München und im Plausch mit anderen Literaten wie Erich Maria Remarque. Die Bilder sind begehrt: Immer wieder gibt es Anfragen von Biografen oder Magazinen. Das Marbacher Archiv macht den Schatz dann gegen Gebühr zugänglich.