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Die "Nachtschwärmer" laden zu einer unterhaltsamen Elb-Sommer-Nacht ein Ohrwürmer und ein plaudernder Kapitän

Von Klaus-Peter Voigt 13.07.2012, 03:23

"Leinen los!" auf der Marco Polo. Das nach wie vor einzige fahrende Theaterschiff in Sachsen-Anhalt setzt sich auch in diesem Jahr für eine launige Elb-Sommer-Nacht in Fahrt.

Magdeburg l Die neunte Produktion der "Nachtschwärmer" ist während einer vierstündigen Tour den Strom entlang zu erleben.

Mit "Anker werfen - Segel setzen" treffen die drei Akteure den Nerv des Publikums. Das Schiff wurde zur Premiere bei einem Elbpegel von 1,58 Metern zweifellos zum Kahn der fröhlichen Leute. Ulrike Nocker, Matthias Krizek und Oliver Vogt hielten das Heft in der Hand.

Ihr neues Konzept, schon beim Ablegen einen musikalischen Auftakt zu bieten, kommt an, schafft schnell Atmosphäre. Nur - und das ist ein kleiner Wermutstropfen - die "Nachtschwärmer" sollten den Einstieg nach nur drei Titel nicht abrupt beenden. Als bei "Proud mary", mit einer stimmlich souverän und rockig agierenden Ulrike Nocker, das Publikum in Stimmung kam, wären ein, zwei weitere Titel ein Gewinn gewesen. "Rolling on the river" verlangte förmlich eine Fortsetzung.

Ansonsten geht es locker und unkompliziert an Bord zu. Der Käpt\'n erweist sich in den Pausen an Deck als sachkundiger Erklärer des Wasserstraßenkreuzes und des Flusses. Die strenge Trennung der einzelnen Teile des Abends ist diesmal augenscheinlich aufgehoben und die fließenden Übergänge sind ein Gewinn. Sie machen die Kultur-Tour zur entspannenden Reise. Dabei ergänzt das Menü aus der Kombüse dieses Wechselspiel.

Regisseur Knut Müller-Ehrecke bringt das Programm in Fahrt. Auf die ungewöhnliche Umgebung mit der Bühne en miniature hat er sich nach mehreren Inszenierungen völlig eingestellt. Man spürt förmlich den Spaß, mit dem er die bunte Mischung unterschiedlicher musikalischer Elemente verknüpft, die Raumsituation ausreizt. Das Tempo der einzelnen Auftritte reißt mit, ein ständiger Wechsel der Kostüme verstärkt diesen Effekt.

Beim Grönemeyer-Hit singt das Publikum mit

Mal steht Oliver Vogt im klassischen Dirigentenoutfit mit Frack vor dem Publikum, dann wieder trägt er zu Rastalocken ein knallbuntes Hemd, aber auch mit "Das Piano ist besoffen" im schlichten weißen Hemd findet er Widerhall. Ulrike Nocker im frech-frivol veränderten Weiß einer Krankenschwester verschafft Herbert Grönemeyers "Alkohol" ein mitsingendes Publikum. Bei "Aloha - Heja He" interpretiert Matthias Krizek den Song von Achim Reichel einfühlsam, ohne sich ausschließlich an die altbewährte Vorlage zu halten.

In dieser Umsetzung, dem nicht bloßen Kopieren von Ohrwürmern, liegt die Stärke der Nachtschwärmer. Bei der Auswahl der Titel zeigen sie Gespür, mischen Lieder, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben. Stammtexter Peter Hofmann sorgt für frischen Wind, schreibt neu oder verändert den einen oder anderen Song so, dass er in Details dem Anliegen des Abends gerecht wird.

Überraschend erweist sich der Griff in die Mottenkiste. Mehrstimmig zelebriert bringt er "Sommer, Sonne, Sonnenstrand", der fast schon historische Klassiker der Ersten Komischen Interessengemeinschaft von Possenspiel und MTS, zu neuen Ehren. Beim Text hört mancher ebenso genau hin, wie vor Jahrzehnten.