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"Werther" hat am 29. Januar Premiere in Magdeburg Oper, die Fantasie braucht

28.01.2011, 04:29

Im Jahr 1774 schreibt Goethe in nur vier Wochen seinen Briefroman "Die Leiden des jungen Werther". Der 23-Jährige kam damals mit abgeschlossenem Jurastudium nach Wetzlar, und er verliebt sich in die 17-jährige Charlotte Buff, unglücklich versteht sich. Jules Massenet war von Werther so begeistert, dass er das Werk vertonte. Am Sonnabend hat die Oper in Magdeburg Premiere.

Von Liane Bornholdt

Magdeburg. Wetzlar ist auch der Schauplatz des Romans und die Heldin ist Charlotte. "Die Leiden des jungen Werther" macht den jungen Dichter sofort berühmt. Er stößt auf Ablehnung beispielsweise von der Kirche, die dem jungen Goethe die Rechtfertigung des Selbstmordes ankreidet, vor allem aber stößt er weltweit auf Begeisterung von Generationen jugendlicher Liebeskranker.

In Frankreich war der Werther vor allem Ende des 19. Jahrhunderts in Mode, und zu den Begeisterten zählte auch Jules Massenet. Edouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann schrieben nach Goethes Briefroman ein Opernlibretto, das Massenet 1885/87 vertonte. In Paris interessiert sich zunächst keiner für die Oper. Sie wird erst 1892 an der Wiener Hofoper uraufgeführt, in deutscher Übersetzung. Im selben Jahr hat das französische Original in Genf Premiere. Erst 1977 begann Massenets "Werther" in Deutschland Fuß zu fassen. Die Oper war damals die Entdeckung, und sie erobert seitdem die großen Opernbühnen weltweit.

In Magdeburg ist "Werther" seit 1945 noch nicht gespielt worden und wahrscheinlich zuvor auch nicht. Jetzt inszeniert Walter Sutcliffe die Oper am Theater Magdeburg. Die musikalische Leitung hat Rudolf Piehlmayer. Im Opern- libretto ist die Handlung, die bei Goethe sich über einige Jahre erstreckt, auf ein halbes Jahr zusammengefasst, und sie ist auch dramatisch zugespitzt worden.

Für den Regisseur ist es am wichtigsten, dass der Zuschauer seine Fantasie öffnen kann. Diese Oper, so sagte er, funktioniert nur mit Fantasie und teilweise in der Fantasie. Er wolle sie deshalb auch nicht als dokumentarisches Stück in den Gassen des alten Wetzlar erarbeiten.

"Es ist ein gewisser Unrealismus", sagt der Regisseur, "die die Geschichte echt macht." Jeder Zuschauer könne seine eigenen Erfahrungen der Liebe und Partnerschaft in dieser Werther-Oper projizieren. Anders als in Goethes Briefroman sei das Operngeschehen sehr viel stärker auf die Figur der Charlotte konzentriert.

Sie sei, so der musikalische Leiter, wie Frauenfiguren in vielen anderen Opern dieser Zeit, eine Femme fatale, und dies werde vor allem in der Musik hörbar.

Zuhörer sollte vorher das Textbuch lesen

"Massenet hat die ganze tragische Liebesgeschichte in Klang umgesetzt", sagt Rudolph Piehlmayer, "man muss genau hinhören. Die Partitur hat viel Subtext. Die Story ist in dieser Oper das eine, etwas ganz Eigenes aber ist die Musik. Die Zuhörer sollten sich das Textbuch vor dem Opernbesuch durchlesen, um sich dann ganz auf die wunderbare vielschichtige Musik zu konzentrieren."

Die Musik könne einen erschlagen, meint der Dirigent. Sie hat einen ganz weichen Boden, traumhafte Kantilenen und sie sei so schön, dass selbst Debussy neidisch auf Massenet war, als er sie hörte.

In den Hauptpartien wird in Magdeburg Iago Ramos als Werther zu erleben sein, und die Charlotte singt Lucia Cervoni. Albert, der Verlobte und dann Ehemann der Charlotte, singt Mario Solimene und Sophie, die jüngere Schwester Charlottes, Julie Martin du Theil.

"Werther" wird im französischen Original gesungen mit deutschen Übertiteln. Die Oper hat am 29. Januar Premiere.