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Richard Wagners Oper hatte am Nordharzer Städtebundtheater Premiere Ovationen für überzeugenden "Lohengrin"

Von Irene Constantin 02.11.2011, 04:28

Wagners "Lohengrin" in Halberstadt: Die Frage war, wie würde das Nordharzer Städtebundtheater diese Aufgabe meistern, um einmal mehr die Notwendigkeit seiner Existenz beweisen zu können. "Unverzichtbar!" heißt das Spielzeitmotto.

Halberstadt l Das buchstäblich aus den Halberstädter Kriegstrümmern errichtete Theater aus nackten Ziegelsteinen zeigt sich in seltsamem Schmuck. Klassizistische Säulenpaare und Biedermeierstühle vorn rechts und links. Sie setzen sich aus dem Zuschauerraum auf die Bühne fort. Theater auf dem Theater; Logen rechts und links, in der Mitte ein blauer Samtvorhang.

Regisseur Kay Metzger hat die Handlung vom Ufer der Schelde im mittelalterlichen Antwerpen nach Deutschland in die Entstehungszeit des Werkes verlegt. Das Theater ist zum politischen Raum geworden, Abgeordnete beraten dort während der Revolution 1849 in Sachsen im Zeichen der schwarz-rot-goldenen Fahne. König Heinrich wird zum Sachsenkönig, der immerhin einigen Forderungen des Vormärz offen gegenüberstand.

Jetzt aber sind Herrschaftsverhältnisse zu klären, zwischen Elsa und Telramund. Es herrscht Ratlosigkeit in der Versammlung - bis endlich Elsas Traum vom tugendlichen Ritter wahr wird, allerdings anders als erwartet. Der blaue Vorhang öffnet sich, als Schattenriss erscheint der Schwan und gleich darauf, in ikonografischer Gestalt wie von Ludwig Richter gemalt: "der Künstler". Er trägt ein blaues Samtgewand, in der Hand ein Notenheft, die Schwanenfeder ist ihm siegbringende Waffe und Schreibwerkzeug. Wenn Lohengrin die Feder erhebt, bleibt die Zeit stehen, Telramund fällt das Schwert aus den Händen. Wo Lohengrin steht, lagern sich die Damen in ihren taftenen Reifröcken um ihn her, als sei man im Salon um Liszt oder Chopin versammelt.

Klangschönes Musizieren und ein vielbeschäftigter Chor

Am Schluss, wenn es um Horn und Schwert und Ring geht, wird er Elsa jeweils Notenblätter reichen. Wütend und nicht berührt vom Wunder der Kunst, zerknüllt sie sie. Am Ende verbrennt das Theater; Zeichen der Ohnmacht missachteter Kunst vor dem Schwert.

Zwischen der Gerichtsversammlung des ersten Aktes und Lohengrins Gralserzählung - höchstes Wunder dieser Oper und gleichzeitig das Ende aller Geheimnisse - diente der Theaterraum von Ausstatterin Petra Mollérus auch als Trauungskapelle und Rückzugsraum nach der Hochzeitsfeier im Theaterfoyer. Dort wird die verbotene Frage gestellt.

Überzeugend wie die Inszenierung ist auch die musikalische Seite der Produktion. Da schon die alles entscheidenden silbernen Streicherklänge am Beginn der Ouvertüre gelangen, war man guten Mutes gegenüber dem Folgenden, und Musikdirektor und Intendant Johannes Rieger und sein Orchester enttäuschten nicht.

Mit überraschender Fülle, klangschön und mit Sinn für Steigerungen, Spannungsbögen, Höhepunkte und zarte Intimität wurde von Anfang bis Ende musiziert. Besonders schön das Blech mit seinen Raumwirkungen und blitzsauberen Fanfaren. Nicht minder überraschend die Kompetenz des vielbeschäftigten Chores. Mit den zur Verfügung stehenden Lotto-Mitteln den Coruso Chor e.V. und einige Orchestermusiker als Verstärkung zu engagieren, erwies sich als die richtige Entscheidung.

Sängerensemble setzt auf Lyrik und Dramatik

In der Titelpartie als einziger Gast Wolfgang Schwaninger, ein Sänger an der Grenze zwischen lyrischem und Heldentenor, dem das kleine Haus für ein Lohengrin-Rollendebüt sehr entgegenkam. Auch andere Wagner-Partien, Loge, Siegmund, Erik, Tristan, sang er bereits an kleineren Theatern. Es gab einfach nichts an ihm auszusetzen: die Stimme hat einen balsamischen Klang, er kann biegsame Linien singen und für die sparsam eingesetzten großen Töne steht ihm echter Helden-Glanz bis zum Schluss zu Gebote. Die beiden Klasse-Frauen Katharina Warken und Gerlind Schröder, Elsa und Ortrud, gehören zum Ensemble.

Elsa kam genügend lyrisch, aber nicht gar zu ätherisch daher, mit feinem Piano in der Höhe; Ortrud mit gehörig durchschlagskräftiger dunkler Dramatik. Um die Zukunft des jungen Juha Koskela, ein temperamentvoller Telramund, sollte einem auch nicht bange sein.

Wenn es nach künstlerischer Leistung und Erfolg beim Publikum ginge, müsste man nach den hochverdienten "Lohengrin"-Ovationen auch für das Theater nicht fürchten.

Nächste Vorstellung: 13. November, Quedlinburg