Brüder-Grimm-Museum in Kassel mit neuer Dauerausstellung und Sonderschau Panzerglas schützt literarische Schätze
Märchen: ja, kindgerecht dargestellt: nein. Im sanierten Brüder-Grimm-Museum in Kassel haben Wissenschaftler ihre Freude an Schätzen hinter Panzerglas. Kinder können kaum mehr tun, als Zeichnungen anzuschauen. Doch ein neues Museum ist schon in Planung.
Kassel (dpa) l Hinter dickem Panzerglas verstecken sich die wohl berühmtesten Märchen der Welt. Es sind die Handexemplare der "Kinder und Hausmärchen" von 1812, die von den Brüdern Grimm zusammengetragen wurden. Die mit vielen Notizen versehenen Ausgaben, die zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehören, liegen im sanierten Brüder-Grimm-Museum in Kassel. "Jacob und Wilhelm haben die Märchen aus zahlreichen mündlichen und schriftlichen Quellen zusammengetragen", sagte Museumsleiter Bernhard Lauer über die Ausgaben, die dickes Glas vor Anfassen und Langfingern schützt. Sie stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung, mit der das Museum am Sonntag wiedereröffnet wurde.
Die Dauerausstellung beschäftigt sich vor allem mit Leben, Werk und Wirkung der beiden Märchensammler und Sprachforscher, die mit Unterbrechungen von 1798 bis 1841 in Kassel lebten und arbeiteten.
Märchen nehmen in dem Museum einen breiten Raum ein, dennoch ist die Ausstellung eher wissenschaftlich gehalten: Hier ein Spinnrad, das aus Stroh Gold zu machen versucht, dort Puzzlewürfel, die Kinder zu einem Märchenmotiv zusammensetzen können. Meist jedoch sind in den Räumen Schriften, Kopien oder Gemälde zu sehen. "Die Brüder waren in erster Linie Wissenschaftler", betonte Lauer.
So sind außer Märchengeschichten, -zeichnungen und -figuren in einer stilvollen Bibliothek auch die Handexemplare der deutschen Grammatik von Jacob Grimm zu sehen. Die Bibliothek, in der Hunderte alte Bücher stehen, ist das heimliche Schmuckstück des Museums. Auch Möbel sind ausgestellt. "Wir haben versucht, die klassizistisch-biedermeiersche Lebenswelt der Grimms darzustellen", betonte Lauer.
Auch der jüngere "Malerbruder" Ludwig Emil erhält mit neuen Ausstellungsstücken seinen Platz im runderneuerten Palais Bellevue, das mehr als zwei Jahre lang für rund 1,9 Millionen Euro saniert worden war. Die Sonderausstellung im Erdgeschoss zeigt bis zum 6. Mai die Vorgeschichte der Kinder- und Hausmärchen. Dazu gehören die Entstehungsgeschichten von zehn ausgewählten Märchen, darunter "Aschenputtel", "Dornröschen", "Rumpelstilzchen" oder "Das tapfere Schneiderlein". Im Sommer wird während der Kunstausstellung documenta im Erdgeschoss ein documenta-Kunstwerk präsentiert. "Wir versprechen uns davon eine gute Werbung für das Thema Grimm", sagte Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD).
Stadt plant ein neues, größeres Museum
Im Palais wird das Grimm-Museum allerdings wohl nur wenige Jahre zu Hause sein. Die Stadt plant ein neues, größeres Museum auf dem Weinberg, das 2014 fertig sein soll. "Das Thema Grimm ist in Kassel deutlich ausbaufähig. Das alte Museum bietet nicht den Platz, um das in angemessener Weise darzustellen", hatte Hilgen bei der Vorstellung des Architekten-Entwurfs gesagt, das ein Mitmachmuseum werden soll.
Der rund 18 Millionen Euro teure Neubau soll ein zentraler Baustein der neuen "Grimm-Welt" werden. Damit will die Stadt die Besucherzahlen steigern. Waren es vor der Sanierung bis zu 30 000 pro Jahr, so sollen es später jährlich etwa 100 000 werden.
Öffnungszeit: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr