1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Spurensuche am Nietzsche-Grab

Philosoph Spurensuche am Nietzsche-Grab

Besucher aus der ganzen Welt kommen jedes Jahr nach Röcken im Burgenlandkreis, um Friedrich Nietzsches Grab zu sehen.

21.11.2017, 23:01

Röcken (dpa) l Röcken hat 600 Einwohner und mehr als 1000 Besucher im Jahr. In dem kleinen Ort bei Weißenfels (Burgenlandkreis) in Sachsen Anhalt ist einer der bedeutendsten Philosophen der Geschichte beerdigt worden: Friedrich Nietzsche (1844–1900). An sein Leben und Werk („Also sprach Zarathustra“) erinnert eine Gedenkstätte – mit Kunstwerk, einem kleinen Museum, dem Geburtshaus, der Taufkirche aus dem 12. Jahrhundert und Grab. Ins Auge sticht eine lebensgroße Skulpturengruppe. Unter dem Titel „Röckener Bacchanal“ stellt das Werk des Bildhauers Klaus W. Messerschmidt den Philosophen dreimal dar, darunter einmal mit seiner Mutter Franziska – angelehnt an ein Schriftstück, wonach sich der Philosoph im Traum selbst an seinem Grab stehend sah.

Nietzsches Werke sorgen bis heute für Diskussionen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Schriften von ihm für Propagandazwecke missbraucht. In der DDR wurde er als Vorläufer der Nazis dargestellt. Heute zieht es Menschen aus der ganzen Welt nach Röcken – aus Brasilien, Chile, Indonesien, Japan, Norwegen, Russland, Spanien, der Schweiz, den USA oder dem Iran – um auf den Spuren des Denkers und Dichters zu wandeln.

„Wir sind wirklich international. Die Leute kommen zu uns, um hier an Ort und Stelle diese ganz besondere Atmosphäre zu spüren“, erzählt Peter Buss, Gründungs- und Vorstandsmitglied im Nietzsche-Förderverein in Röcken. Kürzlich seien Philosophieprofessoren aus Amerika und Asien im Ort gewesen, um Nietzsches Gedanken anhand von Schriften und Exponaten näher zu erkunden.

Der Nietzsche-Verein Röcken arbeite auch mit dem Nietzsche-Dokumentationszentrum in Naumburg zusammen. In der Stadt lebte die Familie des Philosophen nach dem Tod des Vaters. Nietzsche starb 1900 in Weimar. Besucher der Gedenkstätte schreiben ihre Eindrücke ins Gästebuch: „Was für ein Erlebnis, an die Wiege des Philosophen zu kommen!“ oder „Endlich hier gewesen, am Grab gestanden!“ ist zu lesen, wenn Museumsmitarbeiterin Jutta Remler in dem dicken Gästebuch blättert. Rund 37 300 Besucher wurden seit der Neugestaltung und Sanierung des Gedenkstättenensembles gezählt, rund 1400 Besucher bislang in 2017.

An einem Novembertag haben sich Schüler aus Halle mit ihrem Religionslehrer Mathias Ott auf den Weg nach Röcken gemacht. Während einer acht Kilometer langen Wanderung haben die Schüler der elften Klasse Gedichte von Nietzsche vorgetragen und die Landschaft auf sich wirken lassen. „Nietzsche hat uns heute noch etwas zu sagen“, sagt der Pädagoge, als er mit den Schülern in der Gedenkstätte angekommen ist. „Wir wollen wissen, wie er war“, sagt die 17-jährige Marie Louise.

Menschen der Zeitgeschichte haben auch andernorts in Sachsen-Anhalt ihre letzte Ruhe, teils still, teils an prominenter Stelle, gefunden. So liegt in dem kleinen Ort Walbeck (Landkreis Börde) das Grab des Oscar-Preisträgers Ulrich Mühe („Das Leben der Anderen“). Auf dem kleinen Friedhof von Lettin wurde der Schriftsteller Erik Neutsch („Der Friede im Osten“) beerdigt, in Halle der DDR-Maler Willi Sitte.

In der berühmten Schlosskirche in Wittenberg ist das Grab des Reformators Martin Luther (1483–1546). Auf dessen Kindheitsspuren sind die Schüler – auf dem Lutherweg in Eisleben – auch schon gewandelt, wie Lehrer Ott auf der Tour nach Röcken erzählt.

Nur wenige Meter von Nietzsches Geburtsort entfernt, in Lützen, erinnert südlich von Leipzig ein Stein mit Baldachin an den Tod des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf (1594-1632). Er starb hier in der blutigsten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges.