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Jaroslaw Jurasz aus Polen serviert in Quedlinburg einen meisterhaften Ballettabend / Spaßmacher und Beziehungskisten Poetischer Triptychon: Chopins unsterbliche Musik fein getanzt

Von Hans Walter 23.09.2013, 01:18

Quedlinburg l "Triptychon" nannte Ballettmeister Jaroslaw Jurasz den neuen Abend für das Nordharzer Städtebundtheater. Also ein Dreiteiler, mit Premiere am Freitag im Großen Haus Quedlinburg. Ein wenig erinnerte er an Flügelaltäre. Die beiden ersten Teile waren gewissermaßen die Seitentafeln für ein prächtiges Hauptbild.

Jurasz und der Gastchoreograf Martin Kaempf zeichneten für die Inszenierungen verantwortlich. Sie gingen von der Musik aus. Paul Hindemiths "Die vier Temperamente", Gustav Holsts "Die Planeten" in der Klavierfassung und Frédéric Chopins "Les Sylphides/Chopiniana" bildeten die Grundlagen für die szenisch-illustrativen Erkundungen.

Strenge und Verspieltheit - so waren die ersten Bilder angelegt. Jurasz konnte sich auf das größtenteils neu engagierte kleine Ensemble voll verlassen. Jurasz besetzte in den "Temperamenten" sein kleines Ensemble für den Melancholiker, den Sanguiniker, den Choleriker und den Phlegmatiker auf den Typ genau. Er forderte ihre Eigenschaften mit klassischem Schrittmaterial und raumgreifenden Sprüngen solistisch sehr heraus. Seine Tänzer waren hinreißend. Vincius A. Menezes da Silva in zerrissener Ernsthaftigkeit und Melancholie, Alexandre Delamare wie ein sanguinischer sprunggewaltiger Petruschka im Narrenkostüm - ein Spaßmacher und Freudenbringer. Die quicke Masami Fukushima und die nachdenkliche Marine Fernandez.

Kaempfs "Planeten" zeigten Beziehungskisten. Feuer, Luft, Wasser und Erde in immer neuen duettischen Zuordnungen, auf Spitze getanzt. Viele Bewegungen liefen in größter Synchronität. Rivalität, Anziehung und Abstoßung, Leiden und Trost - es war ein Liebesreigen von nur vier Körpern: Anna Vila, Yuriya Nakahata, Jaume Bonnin und Giuseppe Casiero. Tolle Leistung.

Andrea Kaempf schuf die Ausstattung. Werthaltige tanzbare Kostüme vor allem - mal geometrisch für die "Temperamente", mal mit glitzernden Applikationen für die "Planeten" besetzt. Auch bei den in Herbsttönen fließenden leichten Stoffen mit Eichen-, Buchen- und Kastanienblättern für den Chopin forderte sie die Meisterschaft der Schneiderei voll heraus.

Dieses Bild führte sehr schön zur Seele des Polen Jaroslaw Jurasz. Man war an den azienki-Park in Warschau erinnert. Im Sommer und Herbst steht da immer ein Flügel, weht Chopins unsterbliche Musik durch die zauberhaften Gartenanlagen am See mit ihren alten Weidenbäumen. Das assozierte das Bühnenbild. Jurasz hatte die Choreografie Michael Fokines als Anregung für sein abstraktes Ballett genutzt.

Es gab sechs Minuten Applaus und Bravorufe. Diese kleine Compagnie tanzt mit größter Kunstfertigkeit um ihr Leben.