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Magdeburg erinnert an die ambitionierte Deutsche Theater-Ausstellung im Jahr 1927 Prächtige Theaterschau: "Hier ist neue Zeit"

Von Grit Warnat 11.05.2012, 05:14

In einer Theaterkrise stemmte Magdeburg im Jahr 1927 die Deutsche Theater-Ausstellung - ein mehrmonatiges Großereignis. 85 Jahre später wird an das ambitionierte Projekt erinnert.

Magdeburg l "Hier ist neue Zeit" titelte eine Zeitung aus Berlin. Dabei wurde vorab in der großen Theatermetropole eher über das Projekt in der Provinz gelästert. Später gab es Anerkennung allerorten, sogar die "New York Times" berichtete von der Eröffnung.

"Hier wurde mit viel Mut und Ideen Überraschendes geschafft", sagt Norbert Pohlmann, Geschäftsführer Forum Gestaltung e.V., anerkennend und vergleicht die Wirkung mit der einer Weltausstellung. Der Verein hat sich gemeinsam mit der Stadt und Partnern intensiv auf Spurensuche begeben - und lässt mit dem Projekt "Szenen einer Ausstellung" den damaligen Geist aufleben.

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"Ihr alle, die ihr vom Theater und für das Theater lebt, reist nach Magdeburg und seht euch diese Ausstellung des deutschen Theaters an."

Firmin Gemier (1865-1933), Comoedia, Paris

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Architektonisch sind große Lücken im einstigen Areal gerissen, Asphalt, Rasen und Bäume längst an die Stelle des damaligen Ehrenhofes, der Ausstellungshallen und der Versuchsbühne getreten. Die Fläche zwischen dem erhaltenen Pferdetor, dem Ausstellungsturm und der von Johannes Göderitz geplanten Stadthalle kommt heute eher trist daher. Wie sah es einst hier aus, als sich die Theaterwelt in Magdeburg traf? Großformatige Fotoreproduktionen, von Volker Eisenbarth, dem Enkel des damaligen Geschäftsführers der Theater-Ausstellung zur Verfügung gestellt, sollen erinnern. Sie werden morgen erstmals an historischer Stelle präsentiert.

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"Wenn sie, vollendet, hüllenfrei, vollendet prankt und prunkt, ist Magdeburg im Monat Mai ein deutscher Mittelpunkt."

Alfred Kerr (1867-1948), Schriftsteller und Theaterkritiker

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Pohlmann spricht von einem äußerst ambitionierten Projekt, das ursprünglich bereits 1926 verwirklicht werden sollte - zum damaligen 50-jährigen Jubiläum des Stadttheaters. Doch das Vorhaben wurde gewaltig, visionär, es musste um ein Jahr verschoben werden. Professor Albinmüller (Albin Müller), einst Lehrer an der Magdeburger Kunstschule, wurde die künstlerische und architektonische Leitung übertragen, ursprüngliche Pläne von Kunstschuldirektor Wilhelm Deffke großteils verworfen.

Wer die von Norbert Eisold kuratierte Ausstellung im Forum Gestaltung besuchen wird, die ebenfalls am Sonnabend öffnet, sieht gleich im Eingangsbereich Fotos von der damaligen Eröffnung mit Menschen, die Richtung Ausstellungsareal drängen und Eurphorie erkennen lassen. Immer wieder begegnet dem Besucher der Ausstellungsturm, der am 17. Juni auf einen Stadtratsbeschluss hin nach Albinmüller benannt werden wird. Pohlmann ist fasziniert von diesem Bauwerk, das durch seine gläserne Turmhaube und das Spiel mit dem Licht eine "unglaubliche Mystik" entwickele. Für Pohlmann ein "Fingerzeig im architektonischen Areal".

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"Das Theater ist keine Ware, die gewinnbringend gekauft und verkauft werden könnte; wie glücklich, wie schön erscheint mir der Gedanke dieser Ausstellung."

Alexander Moissi (1879-1935), Schauspieler

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Hier zu Fuße des 61 Meter hohen Turmes trafen sich von Mai bis Oktober Künstler, Kritiker, Autoren, Theaterdirektoren aus ganz Deutschland. Die Prominenz gab sich die Klinke in die Hand: Gründgens, Klaus und Erika Mann, Hermann Abendroth, Pamela Wedekind ... Es wurden Inszenierungen gezeigt, es gab Lesungen und Tanztheater, Konzerte in der Stadthalle - und insgesamt stolze 207 Tagungen und Kongresse. Von hier gingen Impulse aus für die in der Krise steckende Theaterlandschaft in Deutschland.

85 Jahre später gibt es wieder über Monate verteilt Vorträge, Diskussionen, Konferenzen, Theater. Pohlmann setzt auf den damaligen Geist, den Mut, etwas zu wagen. Er sagt das nicht nur hinsichtlich dieser Ausstellung, sondern vor allem hinsichtlich einer Bewerbung Magdeburgs zur europäischen Kulturhauptstadt 2012. "Man kann Überraschendes schaffen", sagt Pohlmann, blickt auf die Bilder von 1927, die unzweifelhaft Glanz versprühen. Man brauche Ideen, Visionen - und dürfe sich dem nicht verweigern. "Es hat damals funktioniert", meint Pohlmann. "Wieso nicht noch einmal?"

(Die Zitate von Gemier, Kerr und Moissi wurden damals anlässlich der Theater-Ausstellung veröffentlicht)