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Die Hamburger Elbphilharmonie bewegt die Gemüter und beschäftigt mittlerweile Gerichte Prestigevorhaben, Kostenfalle, Streitobjekt

Von Grit Warnat 03.01.2012, 05:27

Neues Jahr - neues Glück. Gilt der Spruch auch für Hamburg und den gigantischen Prestigebau Elbphilharmonie? 2011 jedenfalls kam das Großprojekt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen.

Hamburg l 2003 war es, als Projektentwickler Alexander Gérard seine Idee von einer Elbphilharmonie vorgestellt hatte. Gut hörten sich die Pläne an von diesem spektakulären Konzerthaus, das mitten in der exklusiven Hafen-City nicht nur Platz für ein internationales Musikleben haben soll, sondern auch für Luxus-Eigentumswohnungen und ein Hotel hoch über der Elbe. Erlöse werde es dadurch geben, mit denen ein Teil der Kosten getragen werden könne. Und der Rest werde über Spenden vor allem von Mäzenen abgedeckt. Den Steuerzahler, hieß es anfangs, sollte das gläserne Konzerthaus der Extraklasse nichts kosten.

Das hörte sich wahrlich sehr verführerisch an. Denn die Musicalstadt Hamburg würde gewinnen - an Prestige, weil es in die Riege der wichtigen Kulturmetropolen aufsteigen könne. Vergleiche mit dem Opernhaus Sydney wurden gern herangezogen.

Meldungen wie aus einem Tollhaus

Als die Bürgerschaft dann 2007 den Bau beschloss, waren schon 77 Millionen Euro von der öffentlichen Hand veranschlagt. War das zu blauäugig? Wurde der Stadt ein "vergiftetes Geschenk" gemacht, wie "Die Zeit" einmal den ehemaligen Projektmanager Wegener zitierte? War von vornherein zu wenig einkalkuliert worden?

Heute, zum Beginn des Jahres 2012, weiß der zahlende Bürger, dass ihn das "neue Wahrzeichen Hamburgs", so der damalige Erste Bürgermeister Ole von Beust, sehr teuer zu stehen kommt. 323,5 Millionen Euro sind es aktuell. Das Schmerzliche: Es scheint kein finanzielles Ende in Sicht.

Denn viel zu oft schon wurde die Summe nach oben korrigiert. Das "Hamburger Abendblatt" schrieb: "Von Hamburg lernen heißt prassen lernen". Das Nachrichtenmagazin "Stern" nannte die Elbphilharmonie einen "Albtraum" und "ein Paradebeispiel für Großprojekte, die der öffentlichen Hand völlig entgleiten". Das Kunstmagazin "art" titelte schon im Jahr 2008: "Millionengrab Elbphilharmonie".

Erst vor wenigen Tagen hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, dass der Baukonzern Hochtief noch einmal 180 Millionen Euro von der Stadt verlange. "Es gibt keine Nachforderungen", konterte Hochtief-Sprecher Bernd Pütter wenig später gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Wirklich nicht? Was kann der Bürger noch glauben angesichts der Meldungen, die wie aus einem Tollhaus daherkommen?

Planungsfehler, Baustopp, Krisengespräche

Die Probleme haben sich potenziert. Nicht nur die Kosten explodierten, auch die Bauzeit verlängerte sich immer weiter. Jetzt steht als Fertigstellungstermin November 2014. Auch der bis dato genannte Termin April 2014 kann nicht mehr gehalten werden.

Ursprünglich sollte im Herbst 2010 zum ersten Konzert geladen werden. Intendant Christoph Lieben-Seutter wurde vor vier Jahren nach Hamburg geholt.

Änderungswünsche, Nachträge, Planungsfehler, Baustopp, Krisengespräche, ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, seit Sommer nun auch das Gericht. Dort soll geklärt werden, wer zuständig ist für diese Bauzeitverlängerung, für die der eine dem anderen die Schuld zuschiebt. Es geht um Geld, um viel Geld.

Und während man sich streitet bleibt weiterhin unklar, wann das erste Konzert im Konzertsaal der Extraklasse stattfinden wird.

Kritiker, die schon von Anbeginn unkten, das Projekt sei eine Nummer zu groß und zu unberechenbar, sehen sich in diesem ganzen Gestreite und Gezerre um das neue Aushängeschild der Hansestadt bestätigt. Vor allem, weil das Mammutprojekt Gelder verschlingt in Zeiten, in denen in Hamburg - mal abgesehen von den gebeutelten Sozial- und Bildungsbereichen - zu Kultur(krisen)gipfeln geladen wird, um über kostenmindernde Strukturänderunen und die mögliche Verteilung des knapper werdenden Geldes zu diskutieren.

Da beschäftigte sich ein Kulturgipfel beispielsweise auch damit, für das traditionsreiche Altonaer Museum eine neue Konzeption zu erarbeiten, um somit dessen Schließung zu verhindern. Oder er diskutierte über geplante Finanzkürzungen für das renommierte Schauspielhaus und die Bücherhallen.

Moralischer Kredit bei den Bürgern

Einerseits Sparpläne, andererseits Millionen für einen Prestigebau. Was dort in Hamburg veranstaltet wird, tut der Stadt nicht gut, vor allem aber schadet es generell dem immer mehr schwindenen Glauben in die Politik und der immer kleiner werdenden Hoffnung, dass mit dem Steuergeld verantwortungsvoll umgegangen wird. Die Informationspolitik des Senats stand immer wieder in der Kritik.

In einem Rede-Duell vor seiner Wahl zum Ersten Bürgermeister von Hamburg Anfang des vergangenen Jahres hatte Olaf Scholz (SPD) gesagt, die Elbphilharmonie sei viel zu teuer und die Kosten wären nicht verantwortbar. Und er hatte damals ganz zu recht gesagt, dass man sich genau überlegen müsse, wofür man Geld ausgebe. Er sagte auch, dass die Regierung und der Senat moralisch Kredit hätten bei den Bürgern.

Jetzt, in seiner Funktion als Stadtchef, hat er sich fest vorgenommen, die Elbphilharmonie einzuweihen. Bundespräsident Christian Wulff (CDU) übrigens auch. Wenn sie bis zu deren Eröffnung noch im Amte sein sollten, werden sie sicher große Worte finden für ein ohne Zweifel außergewöhnliches Architekturprojekt, das Hamburg ins Rampenlicht setzen wird.

Doch dieses Rampenlicht ist teuer erkauft. Und das sollte bei Einweihungs-Sekt und sicherlich pompöser Feierei nicht vergessen werden.