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Berlin ist nicht nur ein Mekka für deutsche Künstler - immer mehr ausländische Stars kommen Quirlige Metropole der Gegenwartskunst

27.08.2012, 03:36

Olafur Eliasson, Jonathan Meese, Thomas Demand - Berlin kann mit großen Namen aus der Kunstszene aufwarten. Aber nicht nur Künstler, auch Sammler aus aller Welt zieht es in die Stadt.

Berlin (dpa) l Mehr als 170 Museen versprechen Berlin-Besuchern einen Kunstgenuss der Extraklasse - allen voran die Museumsinsel mit ihren riesigen Schätzen der Weltkultur. Aber Berlin hat auch noch eine ganz andere Seite: Mehr als 10000 professionelle Künstler aus aller Welt machen die Stadt zu einem riesigen Experimentierfeld der Gegenwartskunst.

Hier werden Trends gesetzt und neue Ideen geboren. "Berlin wird auch international als DIE Stadt für zeitgenössische Kunst gesehen", sagt Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) stolz. Zu den Aushängeschildern der deutschen Szene gehören Größen wie Jonathan Meese, Wolfgang Tillmanns, Thomas Demand, Daniel Richter und Isa Genzken, aber auch Nachwuchsstars wie Martin Eder oder Kitty Kraus.

Zudem zieht es immer mehr ausländische Künstler in die Bundeshauptstadt, darunter die Kanadierin Angela Bulloch, die Schwedin Ann-Sofi Siden, den französischen Shootingstar Cyprien Gaillard oder den Israeli Omer Fast.

Der dänische Vorzeigekünstler Olafur Eliasson betreibt seit 1995 am Prenzlauer Berg ein Studio mit inzwischen 45 Mitarbeitern, 2009 gründete er zusätzlich das Institut für Raumexperimente, das neue Formen des Kunststudiums entwickelt. Andere arbeiten in öffentlich geförderten Ateliers oder früheren Industriebauten zusammen. So sind die Weddinger Gerichtshöfe mit rund 70 Beteiligten eines der größten Kunstquartiere in Deutschland.

"Nach dem Fall der Mauer sind viele Künstler wegen der damaligen Aufbruchstimmung nach Berlin gekommen", sagt die Kunsthistorikerin Miriam Bers von der Beratungsfirma GoArt! Berlin. "Inzwischen ist es fast ein Muss, ein Atelier in Berlin zu haben. Die Künstler wissen, dass sie hier am Puls der Zeit sind." Immer noch sind die Mieten in der Bundeshauptstadt im Verhältnis zu anderen Kunstmetropolen günstig, die Lebenshaltungskosten niedrig und die Freiräume groß.

Im Nachwende-Boom der 90er Jahre war das Scheunenviertel um die Auguststraße legendäre Keimzelle des Marktes, später etablierten sich am einstigen Checkpoint Charlie rund 50 Galerien mit teils recht hochkarätigen Arbeiten. Zuletzt wurde die Potsdamer Straße mit ihren salonartigen Präsentationen in riesigen großbürgerlichen Altbauten zum In-Quartier. Und derzeit ist gerade für jüngere Galeristen das sozial rauere Neukölln und "Kreuzkölln", die Gegend zwischen Kreuzberg und Neukölln, angesagt.

Neues Projekt senkt Hemmschwelle für Kunst

"Wir sind so eine Art Quartiermacher in der Stadt", sagt der Präsident des Landesverbands Berliner Galerien (LVBG), Werner Tammen, der mehr als 30 Jahre Erfahrung im Geschäft hat. "Sowohl für Sammler wie auch für Berlin-Besucher ist gerade die Vielfalt der Szene attraktiv."

Mit rund 400 Galerien ist Berlin der größte Galeriestandort in Europa, der Umsatz stieg nach einer Studie der Förderbank des Landes Berlin im Jahr 2010 um 23 Prozent auf fast 200 Millionen Euro. Daneben haben auch private Kunstsammlungen wie der neue "Collectors Room" von Thomas Olbricht, der Sammlungsbunker von Christian Boros und die Haubrokshows ihre Pforten für Publikum geöffnet.

Eines der meistbeachteten neuen Projekte ist das Kunstzentrum in der einstigen Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße. Der Galerist Michael Fuchs versucht in dem liebevoll renovierten, denkmalgeschützten Gebäude, mit einer Mischung aus Kunst und Esskultur die Hemmschwelle für Kunstflaneure zu senken.

Über den Szenelokalen im Erdgeschoss ist neben seiner eigenen Galerie auch ein Ableger der Charlottenburger Fotogalerie "Camera Work Contemporary" eingezogen. Dritter im Bunde ist Neo Rauchs Galerist Gerd Harry ("Judy") Lybke mit seinem Eigen + Art Lab. "Hier können sich Leute treffen und bei einem Gang durchs Haus wie zufällig Kunst entdecken und auf neue Ideen kommen", sagt Initiator Fuchs.

Zusammenarbeit ist auch sonst das neue Zauberwort der Szene. Nach der Absage der früheren Kunstmesse Art Forum wollen im Herbst in einer bisher einmaligen Kooperation private Galerien und öffentliche Institutionen eine Kunstwoche organisieren. Die "Berlin Art Week" soll die Bundeshauptstadt im internationalen Standortwettbewerb stärken. Verbandschef Tammen verspricht sich davon neuen Rückenwind: "Ich gehe davon aus, dass wir einen starken Kunstherbst bekommen."