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Rezension Uraufführung von "Tanz im Netz" in Magdeburg

Das Stück „Tanz im Netz“ von Wolfgang Krause Zwieback feierte am Freitagabend seine Uraufführung im Magdeburger Schauspielhaus.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 20.05.2019, 09:23

Magdeburg l Wer das künstlerische Wirken von Wolfgang Krause Zwieback verfolgt hat, der weiß, dass bei dem studierten Grafiker, der sich auch als Autor, Regisseur, Schauspieler, Performer, Bühnen- und Kostümbildner betätigt, nur sicher ist, dass man sich nie ganz sicher sein kann.

Bei „Tanz im Netz“ wird das überaus deutlich. Fünf überaus surreale Gestalten agieren in einem Antennenkäfig, sinnieren höchst absonderlich über ihre Träume, Wünsche, Ideale. Zusammenhängende Texte gibt es da nicht, allenfalls hier und da Sentenzen, die durchaus Wortwitz durchblitzen lassen, ohne sich aber tatsächlich zu einem sinnvollen Inhalt zu fügen. Stattdessen offeriert der Autor Wortspiele, die beeindrucken, mit welch sprachlicher Fertigkeit die Schauspieler dadaistische Buchstabenbrocken beispielsweise aus dem Wort Wassertropfen hervorzaubern. Krause Zwieback spielt mit der Sprache an vielen Stellen. Immer nach dem Motto: Wen schert der Inhalt, wenn die Worte klingen. Und sollte sich doch mal so etwas wie ein zusammenhängender Gedanke einschleichen, dann wechseln die Gestalten auf der Bühne in eine Kunstsprache, die niemand verstehen kann, weil es keine Sprache ist.

Das mag über einen bestimmten Zeitraum recht amüsant sein, für eine Stunde und 40 Minuten ist es eine Tortur.

Vor diesem Hintergrund ist die Leistung der fünf Schauspieler gar nicht hoch genug zu bewerten. Allein das Lernen eines Textes, der sich nicht zu einer Aussage, einem Ende, einem Gedanken fügt, muss unglaublich schwer sein. Hinzu kommt, dass ihnen auch körperlich alles abverlangt wird.

Da ist Hartmut Schafswinkel, der Leiter des Antennenkäfigs, der von der Idee besessen ist, mit der Telefonfrequenz 7G müsste auch die extrem schnelle Übertragung zu extrem kurzen Gesprächen führen. Schließlich hält ein Düsenjägerpilot die 7G auch nur ein paar Sekunden aus. Marian Kindermann holt in dieser Rolle alles aus sich heraus, zeigt sportliche Höchstleistung bei einem Rundensprint, um dieses Ziel zu erreichen.

Mit ihrer unvergleichlichen Wandelbarkeit macht Iris Albrecht jede Rolle zu einem Erlebnis. Als Aggregathe, die mal gasförmig, mal flüssig agiert, der aber die feste Form am besten gefällt, ist sie in der Ambivalenz von Naivität und Energie die Entdeckung des Abends.

Alexander Schiefer-Kern ist „kompositeur musikeur charmeur lebenskünstleur philosopheur empfindeur“ und empfängt permanent Signale. Ralph Opferkuch schlüpft in diese Rolle wie in eine zweite Haut, verkörpert all das und windet sich wie eine Fliege im Spinnennetz.

Toll besetzt ist auch die Ulla Netzehändel mit Maike Schroeter, die als „versandete gestrandete vormals artistin vormals spinne“, der das Vernetzen in die Wiege gelegt wurde, und die statt einer Schlangenhaut zwei Netzhäute hat.

Nicht minder eindrucksvoll agiert Uli Seidenspinner alias Oliver Niemeier als jemand, der mit Zahlen handelt und auf betörende Weise erklären kann, was er nicht versteht.

Die Leistung dieser fünf Akteure ist einfach atemberaubend, was man von dem Stück leider nicht sagen kann.

Wolfgang Krause Zwieback, der Regie, Buch, Bühne und Kostüme als Selfmademan übernommen hat, legt sich an keiner Stelle Fesseln an. Man hat den Eindruck, dass er wie ein Till Eulenspiegel spottet und provoziert, immer auf der Suche nach den Grenzen des Machbaren. So heißt es dann auch zum Abschluss des Stücks: „Warum sollte nicht ein weißer Zwerg mit einer schwarzen Katze gehen, wenn sie beide Erdbeeren mögen.“

Das Austesten von künstlerischen Grenzen ist legitim, so lange das Publikum wie bei „Des Kaisers neue Kleider“ akzeptiert, dass der Schein für das Sein reicht.

Das herauszufinden ist genug Motivation, um sich den „Tanz im Netz“ unbedingt anzusehen. Nichts ist authentischer, als das eigene Erleben.

Die nächsten Vorstellungen sind am Sonntag, 26. Mai, Dienstag, 28. Mai sowie Mittwoch, 5. Juni und Montag, 10. Juni 2019.