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Premiere für das neue Programm der "Kugelblitze" in der "Magdeburger Zwickmühle" Schneewittchens Apfel und die Finanzkrise

Von F.- Rene Braune 14.10.2011, 04:24

Viel Applaus, reichlich Blumen und glückliche Gesichter gab es am späten Mittwochabend nach der Premiere des neuen "Kugelblitze"-Programms "Alles Gift" in der "Magdeburger Zwickmühle". Eines der besten dieses Kabaretts.

Magdeburg l Respekt verdienen nicht nur die Akteure Sabine Münz, Lars Johansen und Ernst-Ulrich Kreschel, Respekt verdient auch der "Gift"- und Gast-Regisseur Lutz von Rosenberg Lipinsky. Unter seiner Federführung bringen insbesondere Münz und Johansen gelegentlich Hochgeschwindigkeits-Kabarett auf die Bühne, das die Zuschauer immer wieder zu Szenenapplaus animiert.

In doppeltem Wortsinn köstlich ist eine Szene, in der Johansen als böse Stiefmutter und Hexe dem Schneewittchen Sabine Münz einen vergifteten Apfel unterjubeln will. Beide sind in ihren Rollen mehr als nur hübsch anzusehen, die Münzsche Schneewittchen-Version ist schlicht und einfach hinreißend gespielt. Johansen steht ihr allerdings in nichts nach - von den ständigen Frucht-Verweigerungsargumenten seiner Gegenspielerin genervt, entlädt sich sein Frust schließlich in dem Ausruf "Jetzt friss den Apfel, du Zicke".

Natürlich ist das Ganze im Heute angesiedelt, es geht um die Frage, ob der Apfel Bio ist oder unter die Massenapfelhaltung fällt, und inwieweit dessen rote und grüne Seite parteipolitische Interpretationen zulässt. Und erworben hat Schneewitschen das Obst bei e-bay ...

In dieser und mancher anderen Nummer legen die beiden eine Spielfreude an den Tag, die förmlich ansteckend ist. In den Rollen eines Rentnerpaares, das seine Tabletten nicht mehr bezahlen kann und deswegen eine Prostata-Medikation mit einer gegen Demenz tauschen will, verdienen sie sich das Attribut "brillant".

Ein aktuell-politischer Rundumschlag

Überzeugend - wenn auch auf einer eher komödiantischen Ebene - ist Ernst-Ulrich Kreschel neben seiner Rolle am Klavier in der eines leicht trunkenen Bauern, der Opfer von "Bauer sucht Frau" geworden ist: Die ihm von RTL bescherte Gemahlin lustwandelt mit einem Gläschen Sekt in der Hand über die Ländereien, bevor sie versehentlich vom Traktor erfasst wird und fortan "in die Furche blutet".

Dieses Kreschel-Solo ist Gleichnis für die kabarettistische "Kugelblitze"-Stilistik: Nicht mit jedem Programmpunkt erklimmt das Trio den Gipfel der politischen Satire. Vielmehr wird ein relativ breites Unterhaltungs-Spektrum bedient, das vom Kalauer über die Comedy bis zum satirisch feinen Degenstich reicht.

So vielfältig wie diese Dramaturgie ist auch das Themenangebot des neuen Programms: Das allumfassende Motto "Gift" schließt finanzpolitische Querelen zwischen Magdeburgs Oberbürgermeister Trümper und Finanzminister Bullerjahn ebenso ein, wie den griechischen Rettungsschirm und das unselige Wirken von Rating-Agenturen.

Als Hauptautor holt Lars Johansen zu einem aktuell-politischen Rundumschlag aus, in dessen Reichweite gleichermaßen lokale, regionale und bundespolitische Aspekte liegen.

Im Zusammenspiel mit den wohldosierten und stilistisch sehr abwechslungsreichen musikalischen Einlagen haben die "Kugelblitze" mit "Alles Gift" ein Programm auf die Zwickmühlenbühne gebracht, das zwar nicht ausnahmslos begeistert, dessen Gesamteindruck aber unter die Rubrik "Unterhaltung auf hohem Niveau" fällt. Einen giftigen Gesichtsausdruck hatte nach der Vorstellung kein einziger Zuschauer ...