Christian Poewe inszeniert Mozarts "Die Entführung aus dem Serail" am Opernhaus Magdeburg Schöne Stimmen, unterhaltsames Spiel
Im ausverkauften Opernhaus Magdeburg erlebte am Sonnabend ein begeistertes Publikum die Premiere der Oper "Die Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart. Das Theater präsentierte einen weiteren Glanzpunkt der gerade begonnenen Spielzeit.
Magdeburg l Regisseur Christian Poewe entführt seine Zuschauer in ein, bei der erwartungsweckenden Ouvertüre noch von einem durchscheinenden Vorhang verdeckt, fast märchenhaft träumerisch anmutendes Treiben vor dem schneeweißen Palast des türkischen Herrschers Bassa Selim.
Spätestens mit dem Auftritt der Protagonisten ist an den zeitlosen, ein wenig typbestimmenden Kostümen zu erkennen, dass die Magdeburger Inszenierung von der Originalzeit Mitte des 16. Jahrhunderts in das Heute transferiert wurde (Bühne/Kostüme Tanja Hofmann). Die Handlung ist jedoch "eins zu eins" nachvollziehbar.
Konstanze, eine spanische Adelige, wurde gemeinsam mit ihrer englischen Zofe und dem Diener Pedrillo nach einem Überfall an Bassa Selim als Sklaven verkauft. Konstanze liebt Belmonte, Pedrillo liebt Blonde. Doch auch Bassa Selim liebt Konstanze. Bassas Diener Osmin hat zudem ein Auge auf Blonde geworfen. Belmonte "reist" undercover an, um Konstanze zu befreien.
Regisseur Poewe hat nichts effekthaschend modernisiert. Hin und wieder streut er mit Augenzwinkern humorvolle Einfälle ein, so dass nach einem Wasserschwapper aus der Zimmergießkanne eine Palme groß und stark wächst oder eine nicht eigentlich gebrauchte Flucht-Leiter auftaucht.
Bedeutsam ist, dass es in dieser Inszenierung nicht um vordergründige Darstellung des Kontrastes zwischen den christlichen und islamischen Religionen geht. Wenn auch am Schluss durchaus realistische Lösungsansätze für die zweifellos vorhandenen und täglich präsenten Vorfälle aufgezeigt werden.
Getragen wird dieses Stück dominant durch die vielfältigen, sich auch entwickelnden Gefühls- und Stimmungszustände der Personen sowie deren spannend erzählter Beziehungen untereinander. Da sind wahrlich nicht nur lebende, sondern lebendige Menschen mit Charakteren auf der Bühne.
Mozarts Musik präsentierte die Magdeburgische Philharmonie unter GMD Kimbo Ishii-Eto mit viel Gespür für diese verschiedenen Charaktere der handelnden Figuren und ihre seelischen Zustände.
Alle Rollen wurden trefflich besetzt: Schöne Stimmen verschmelzen mit einem lustvollen unterhaltsamen Spiel, alles eingebettet in die differenzierte, ausdrucksstarke und spannungsgeladene Musik Mozarts.
Die gesanglichen Anforderungen, eingeschlossen die bezaubernden Koloraturen, auch Bassa (Ralph Martin) als Sprechrolle, wurden durchweg mit Bravour erfüllt.
Mindestens gleichwertig überzeugten die Darsteller durch ihr kongeniales Spiel. Sicher bis in die höchsten Lagen, nachvollziehbar von tiefer Emotionalität, von Liebe, aber auch Zweifel und Angst gepackt, war Hale Soner eine famose Konstante. Julie Martin du Theil dagegen als Blonde beeindruckte mit ihrem klaren Sopran und insbesondere ihrem quirlig erfrischenden Spiel.
Gewandt und pfiffig im Lavieren gefiel Manfred Wulfert als Pedrillo. Johannes Stermann als Osmin, zwar ein Hüne von Mann mit einem sagenhaften Bass, zog bei Blonde dennoch oft den Kürzeren. Es war köstlich, wie sie ihn immer wieder geschickt an der Nase herumführte. Mirko Roschkowski überzeugte als beherzter, lyrisch gefärbter Belmonte.
Am Ende verzichtete Bassa Selim auf die Strafe für die vier Fremden: Es sei "... ein weit größeres Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern zu tilgen".
Und, mehr schmunzelnd zu Osmin wegen Blondes Weggang: "Wen man durch Wohlwollen nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen."
Der Beifall am Schluss "stürmte" auf das gesamte Ensemble gleichermaßen verdient ein.
Nächste Vorstellungen: 13. Oktober, 19.30 Uhr, 21. Oktober 16 Uhr, 2. November, 19.30 Uhr