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Nürnberger Germanisches Nationalmuseum zeigt "Tagträume - Nachtgedanken" und verbindet die frühe Neuzeit mit dem 20. Jahrhundert Skurrile Wesen und Abbildungen der dunklen Seite der Seele

26.10.2012, 01:10

Nürnberg (epd) l Was hat die bekannte grübelnde "Melencolia I" von Albrecht Dürer mit einer Nähmaschine zu tun? Eine neue Ausstellung im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum mit dem Titel "Tagträume - Nachtgedanken" spannt bis zum 3. Februar einen Bogen von dieser Grafik der Renaissance über schaurig-belebte romantische Naturbilder zu surrealistischen Bildern zum Beispiel von Max Ernst oder Fotografien von Man Ray. Fantasie und Alpträume, Schatten und Monster verbinden die Künstler der frühen Neuzeit mit denen des 20. Jahrhunderts.

Gruselig, welche Ungeheuer, Misch-Wesen aus Vogel und Mensch oder Fische mit Beinen auf den Blättern Jacques Callots (1592-1635) oder Lucas Cranachs des Älteren (1472-1553) schweben oder hüpfen. Figuren mit Zotteln und Flügeln, Krallen, Reptilienschwänzen, Fledermäusen, Lanzen und Prügeln symbolisieren die Höllenqualen oder Versuchungen. Zur Illustration reformatorischer Traktate schufen Künstler der damaligen Zeit Monster oder stellten einen Schlund aus spitzen Zähnen dar, der den Satan und den Papst zugleich symbolisiert. Ein Flugblatt aus dem Jahr 1521 warnt vor den wichtigsten Gegnern Martin Luthers, die mit Schweine-, Katzen- oder Hundeköpfen dargestellt sind.

Stammbaum einer gespenstischen Natur

Aber nicht diese politische Agitation ist es, die die neue Ausstellung interessiert, sondern der Stammbaum dieser skurrilen Wesen und der gespenstischen Natur, der Abbildungen der dunklen Seite der Seele. Vom 15. Jahrhundert führen die 130 Werke bis zur modernen Kunst - zu Hanna Höch, Paul Klee oder Picasso - und zeigen, dass die Symbolik des Dämonischen wiederholt und angepasst wird. Einer von vielen Belegen: Der Nürnberger Stich von Martin Weigel aus dem Jahr 1569 zeigt die "Personifikation der Landwirtschaft" - eine menschliche Gestalt, konstruiert aus Körben, Würsten, Sensen und Maschinen. "Fisch, Mensch und Stern" ist der Titel des modernen Gegenstücks dazu. In der Kreidezeichnung des Surrealisten André Masson (1896 bis 1987) erahnt man einen Mann, der mit fliegenden Schritten davongeht.

Figuren, bestehend aus geometrischen Körpern, offenen Würfeln, Kuben und Zylindern, lassen kaum zweifeln: Die Stiche von Giovanni Battista Bracelli (ca. 1616-1649) müssen Pate für Salvador Dalís "Schubladen"-Wesen gestanden haben. Des gleichen Motivs haben sich aber Picasso oder Paul Klee bedient.

Für diese Beweisführung und um die Zusammenhänge herzustellen, hat die Ausstellungskuratorin Yasmin Doosry alte und moderne Kunst im Fundus des eigenen Hauses gefunden. Beinahe 80 Prozent der 130 gezeigten Ausstellungsstücke, Druckgrafiken, Zeichnungen, Fotografien oder Collagen stammen aus Nürnberg. Andere Werke, wie den "Papagei" von Joan Miró hat die Fundacíon Juan March in Madrid beigesteuert. Beim Kooperationspartner wird die Ausstellung von Oktober 2013 bis Januar 2014 zu sehen sein.