Eine ARTE-Dokumentation betrachtet das Verhältnis zwischen Frankreich und der DDR So nah und doch so fern
Vor 40 Jahren erkannte Frankreich die DDR als eigenständigen Staat an. Doch die Beziehungen zwischen beiden Ländern waren nie normal, sondern eher geprägt von einseitiger Zuneigung. Das zeigt eine neue Dokumentation bei ARTE.
Magdeburg l Der 8. Januar 1988 war vermutlich einer jener Tage, von denen Erich Honecker lange geträumt hatte. Breit grinsend saß Honecker in einem übertrieben prunkvoll ausgestatetten Zimmer auf einem Sofa, neben ihm der französische Staatspräsident François Mitterrand. Endlich, so konnte es scheinen, erhielt die DDR Aufmerksamkeit von dem Staat, um dessen Gunst man so lange gebuhlt hatte.
Die Filmemacher Hans Sparschuh und Rainer Burmeister begeben sich mit ihrer Dokumentation "Bonjour DDR! Frankreich und der Osten" auf Spurensuche nach der Beziehung zwischen der "Grande Nation" und dem aus französischer Sicht "anderen" deutschen Staat.
Dafür trafen sie Menschen wie den ehemaligen Handelsrat Dieter Funke, der in den 70er- und 80er-Jahren maßgeblich an Verhandlungen zwischen der DDR und Citroën beteiligt war. An deren Ende stand immerhin die Eröffnung eines Werkes in Zwickau. Die französischen Autos waren für viele Bürger die vermutlich auffälligsten Symbole der Beziehung der beiden Länder. Immerhin ließ sich auch Honecker in einem Citroën durch die Stadt fahren.
Für Funke sind die Annäherungsversuche an Frankreich aus heutiger Sicht nicht mehr "als ein kleiner Flirt" gewesen, "um den großen Bruder BRD etwas zu ärgern". Tatsächlich zeichnen die vielen Aussagen in dem Film ein Bild einer relativ einseitigen Zuneigung.
Schon früh nach dem zweiten Weltkrieg knüpften ostdeutsche Sozialisten Kontakte zu ihren französischen Genossen. Für manche, wie den späteren Bürgermeister von Montreuil, Jean-Pierre Brard, war die DDR gar "das bessere Deutschland". Offiziell aber bestanden keine Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Erst recht nicht nach dem Bau der Mauer 1961. Frankreichs erster Ansprechpartner war stets die Bundesrepublik. Daran sollte und durfte es auch keinen Zweifel geben. Dennoch: Eine gewisse Form der Frankophilie schien in der DDR immer präsent. Jeder zehnte Schüler lernte Französisch, was nach Russisch die zweite Fremdsprache an einigen Schulen war. Und nach der Bundesrepublik war Frankreich wichtigster Handelspartner der DDR in Westeuropa.
Sogar Künstler wie Mireille Mathieu und Gilbert Becaud wurden bei ihren Auftritten in Ost-Berlin begeistert empfangen. Für die französische Führung derweil war die DDR "ein Garant dafür, dass Deutschland sympathisch portioniert blieb", wie der Berliner Journalist Maxim Leo erklärt. Der Romancier Francois Mauriac brachte auf den Punkt, was wohl auch viele Politiker dachten: "Ich liebe Deutschland. Ich liebe es so sehr, dass ich zufrieden bin, dass es gleich zwei davon gibt." Mit zwei deutschen Staaten bestünde keine Gefahr einer Übermacht, so die Rechnung der Franzosen.
Neben diesen politischen und wirtschaftlichen Aspekten aber zeigt der Film auch exemplarisch die vielen persönlichen Kontakte und die Probleme. So wird die Geschichte von Detlef Scheibe erzählt. Als junger Mann im thüringischen Mühlhausen verliebt sich Scheibe in die Französin Claudine, die dort in einem Ferienlager zu Besuch ist. Doch schon nach wenigen Tagen endet die Romanze. Claudine muss zurück nach Frankreich und Detlef Scheibe bleibt mit gebrochenem Herzen zurück. Seine vielen Briefe erreichten Frankreich nie.
Erst in den 80er-Jahren beginnen sich die Beziehungen auch offiziell zu intensivieren. 1981 schlossen Frankreich und die DDR ein Kulturabkommen, durch das mitten in Ost-Berlin bald ein französisches Kulturzentrum entstand. "Ein Stück Westen im Osten", wie Maxim Leo es beschreibt. In diesem geschützten Raum gab es Bücher, Filme und Zeitungen, die es sonst im ganzen Land nicht gab. Natürlich aber nicht ohne Kontrolle. 20 Stasi-Mitarbeiter waren nur mit der Überwachung des Kulturzentrums beschäftigt. Eines von vielen Beispielen der Dokumentation, das zeigt, wie schwer sich beide Länder taten, normale Beziehungen aufzubauen. Die Unterschiede in den Systemen und das Misstrauen Frankreichs waren am Ende zu groß - und die DDR als Partner für Frankreich nicht besonders bedeutend. Schon gar nicht im Vergleich zur BRD.
Leider fehlen in dem Film Stimmen damals verantwortlicher Politiker und so bleiben hier und da Fragen über tatsächliche Gründe und Abläufe offen. Dennoch eröffnet die sehenswerte Dokumentation einen neuen Blick auf ein wenig bekanntes Thema.
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es die von Honecker angestrebte Beziehung auf Augenhöhe nie gab. Nicht mal als er im Januar 1988 auf dem Sofa neben François Mitterrand saß und grinste.
Die Dokumentation "Bonjour DDR! Frankreich und der Osten" läuft heute um 22 Uhr auf ARTE.