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Interview mit Anna Maria Mühe / Im zweiteiligen Drama "Deckname Luna" gerät sie in die Fänge der Stasi "Später kann man immer sagen, dass man es besser gemacht hätte"

03.11.2012, 01:16

Im ZDF-Zweiteiler "Deckname Luna", der am 5. und 8. November jeweils ab 20.15 Uhr gezeigt wird, spielt Anna Maria Mühe die ostdeutsche Werftarbeiterin Lotte, die in den Westen flüchtet, aber von der Stasi zur Spionage gezwungen wird. Mit ihr sprach dapd-Korrespondentin Anja Opitz.

Frage: Sie spielen die Enkelin eines Raketeningenieurs - inwiefern war Ihnen das Thema Raketenforschung in den 60er Jahren geläufig?

Anna Maria Mühe: Dass es ein Wettlauf gegen die Zeit war, das war mir bewusst. Aber ansonsten hatte ich mich noch nicht tiefer mit dem Thema beschäftigt, unter anderem auch, weil dies in der Schule nicht behandelt wurde. Insofern war das Thema für mich neu, aber das ist ja das Schöne an dem Beruf, dass man immer wieder etwas Neues lernen darf.

Frage: Wie viel Zeit haben Sie, sich auf so ein komplexes Thema vorzubereiten?

Mühe: Das ist ganz unterschiedlich. Bei diesem Projekt kamen die finalen Drehbücher sehr spät, so dass die Zeit zum Textlernen relativ knapp war. Dafür konnte ich mich vorher intensiv mit dem Leben zu der damaligen Zeit auseinandersetzen. Ich habe, neben vielen Büchern und Filmen, alle Museen und Gedenkstätten in Berlin abgeklappert, die es gibt, und das sind ja einige.

Frage: Wird diese Vorbereitungszeit von Schauspielern eigentlich einkalkuliert?

Mühe: Nein. Das ist jedem selbst überlassen. Auch die Regisseure sind ganz unterschiedlich: Manche erwarten das, anderen ist es leider vollkommen egal. Ich selbst liebe die Vorbereitungszeit und verlange das von mir.

Frage: Warum ist es Ihnen so wichtig?

Mühe: Es gibt Themen, denen man nur gerecht werden kann, wenn man sich damit beschäftigt. Ich würde mir blöd vorkommen, wenn ich bestimmte Sätze nur aufsagen würde und gar nicht einordnen könnte, warum meine Figur dies sagt oder warum sie etwas wie tut, zum Beispiel.

Frage: Welcher Moment ist Ihnen bei der Vorbereitung besonders nahegegangen?

Mühe: Der Besuch in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, dem ehemaligen Stasi-Gefängnis. Dort ist noch vieles im Originalzustand, man sieht zum Beispiel die Pritschen, auf denen die Häftlinge gelegen haben. Es ist ein beklemmendes Gefühl, in den Räumen zu stehen und zu wissen, dass diese Zeit noch nicht lange her ist.

Frage: Lotte wird mehrfach gefoltert. Besonders schlimm ist die Waterboarding-Szene, in der sie ein Tuch über dem Gesicht hat, das mit Wasser übergossen wird. Wie haben Sie das ausgehalten?

Mühe: Das war sehr unangenehm, denn man kriegt wirklich keine Luft. Aber wir hatten Zeichen ausgemacht, die ich mit meinem Körper machen konnte, die den anderen "Stopp!" angezeigt haben.

Frage: Was hat Sie an der Figur Lotte gereizt?

Mühe: Lotte ist ein junges Mädchen mit dem großen Traum Kosmonautin zu werden. Sie ist eine sehr lebenslustige Person, und sie hat eine sehr klare Haltung gegenüber dem politischen System. Leider kommt sie in eine Situation, in der es keinen anderen Ausweg zu geben scheint, als entgegen ihren Idealen zu handeln. Diesen inneren Kampf fand ich wirklich sehr spannend, den darzustellen war eine Herausforderung.

Frage: Können Sie sich vorstellen in eine Situation zu kommen, in der Sie Ihre Ideale verraten?

Mühe: Ich gehe nicht davon aus, denn sonst wären meine Ideale ja von vornherein sinnlos. Aber ich weiß natürlich nicht, wie es damals war, und ich möchte mir nicht anmaßen, mir eine Meinung darüber zu bilden. Es gibt so komplexe individuelle Geschichten. Später kann man immer sagen, man hätte es besser gemacht.

Frage: Alle drei Geheimdienste, BND, KGB und Stasi, wenden in dem Film brutale Methoden an. Wer ist am Ende gut, wer böse?

Mühe: "Gut" wäre in diesem Kontext wohl die falsche Bezeichnung und es wird bestimmt Kritiker geben, die sich monieren, dass die DDR wieder nur in Verbindung mit der Stasi porträtiert wird, dazu kann ich nur sagen: Es ist und bleibt ein Spielfilm, er soll unterhalten und spannend sein.