"Daily memories" ab heute im Magdeburger Kunstmuseum Spiel mit unseren Erinnerungen
Das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen setzt in der neuen
Ausstellung auf das kollektive und persönliche Erinnern. 17
internationale Künstler haben sich sehr persönlich mit dem Thema
auseinandergesetzt. "daily memories" wird heute um 16 Uhr eröffnet.
Magdeburg l Das ist äußerst selten: Auf dieser Kunst darf man sitzen. Die Stühle von Nanaé Suzuki dienen als Sitzmöbel, zugleich sind sie Erinnerungskunstwerk. Die in Japan geborene Künstlerin hat jedem Lebensjahr des preußischen Baumeisters Friedrich David Gilly (1772 bis 1800) einen Stuhl gewidmet. Eine Jahreszahl ist an der Rückenlehne vermerkt, auf dem Sitz Ereignisse der Weltgeschichte. Die Künstlerin erinnere daran, so Museumsdirektorin Annegret Laabs, dass der Kanon historisch wichtiger Personen und Ereignisse immer auch kulturell geprägt sei.
Die Stühle sind in der gesamten Ausstellung zu finden. Von dieser Kunst aus kann der Besucher andere Kunst auf sich wirken lassen. Zum Beispiel die Fotoserie "The Brown Sisters" von Nikolas Nixon. Der US-amerikanische Fotograf hat seit dem Sommer 1975 vier Schwestern jedes Jahr aufs Neue im Bild festgehalten. 39 Fotografien sind entstanden, ein Lebensstrang, der Veränderungen aufzeigt in den Gesichtern, an den Frisuren, an den Modestilen.
Fotografien sind das klassische Medium der Erinnerung. Sie sind neben Malerei, Installationen und Videos immer wieder in der Ausstellung anzutreffen. Hans-Peter Feldmann hat Babys, Kinder, Jugendliche, Erwachsene aufgenommen, 100 Jahre stellt er dar mit 101 Menschen. Er verleiht den Jahren ein Gesicht. Wie auch bei Nixon geht es ums Älterwerden, um das unaufhaltsame Vergehen der Zeit. Michael Schirner setzt ebenfalls auf das Foto - direkt und indirekt. Er ist mit zwei Arbeiten vertreten. In der Serie "Bye Bye" hat er Fotografien retuschiert, die sich mal mehr, mal weniger in das kollektive Gedächtnis gebrannt haben. Am Platz des Himmlischen Friedens fehlen die Panzer, an der Badewanne mit dem toten Uwe Barschel ist der Politiker nicht zu sehen, auf dem Vietnam-Kriegsfoto fehlen die hilfesuchenden brennenden Mädchen. Sehen wir das Unsichtbare? Was wollen wir überhaupt erkennen? Und was assoziieren wir?
Um diese Fragen dreht es sich auch in seinen "Pictures in our Minds". Schirner spielt mit unseren Erinnerungen. Er lässt wiederum bekannte Bilder wie Michael Jackson am Fenster des Adlon-Hotels in Berlin in uns wachwerden, obwohl er sie nicht zeigt. Auf schwarzen Tafeln hat er lediglich mit weißer Schrift das einst Geschehene notiert. Er fordert die Fantasie des Betrachters, dessen Gedanken, dessen Erinnerungen.
Die Ausstellung ist ganz nah bei uns. Sie weckt Emotionales in uns und ruft eigenes Erleben in unserem Gedächtnis auf. Jeder, der die 17-teilige Öl-auf-Leinwand-Serie von Markus Draper sieht, wird sich ganz persönlich an die immer größer werdenden Montagsdemonstrationen und den Mauerfall erinnern. Draper hat Motive einer heimlich gedrehten Videoaufnahme von der Großdemonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig auf der Leinwand umgesetzt.
Die Ausstellung "daily memories" setzt mit höchst vielfältigen Künstlersichten und Medien auf unser Erinnern, will manch Vergessenes wachrufen und somit Gewesenes in unsere Gegenwart holen. Jeder Besucher wird einen ganz persönlichen Zugang zu einzelnen Werken finden. Und er wird sie mit seinen ganz eigenen Eindrücken wieder verlassen.