The Witch: Finsteres Horrormärchen
US-Regisseur Robert Eggers hat zwei Leidenschaften: Gruselgeschichten und Märchen. Sein Debütfilm The Witch verbindet beides.
Hamburg (dpa) - Der Norden Neuenglands ist so etwas wie Amerikas Hexentanzplatz - spätestens seit der Hinrichtung von 20 Menschen wegen Hexerei in Salem (Massachusetts) im Jahr 1692. Regisseur Robert Eggers ist in der Nähe aufgewachsen und seit seiner Kindheit von dem Thema fasziniert.
Aus seinen Obsessionen und Alpträumen, aber auch seinen umfangreichen Recherchen hat er nun sein Erstlingswerk gemacht. The Witch ist ein Horrorfilm mit viel Blut und Finsternis.
The Witch spielt um das Jahr 1630. Der Film beginnt mit einem ur-amerikanischen Motiv: Der streng puritanische Familienvater William, gespielt von Ralph Ineson, will sich nicht länger seiner Glaubensgemeinschaft unterordnen und wird von einem Gericht exkommuniziert. Die Familie verlässt mit einer Kutsche die Siedlung, die Tore schließen sich hinter ihr. Am Rande eines finsteren Waldes baut sie sich eine neue Farm auf. Wir müssen diese Wildnis erobern, erklärt William seiner Frau Katherine und seinen fünf Kindern. Sie wird uns nicht verzehren. Doch da täuscht er sich.
Thomasin (Anya Taylor-Joy), die älteste Tochter, soll auf ihren Bruder Samuel, einen Säugling, aufpassen. Das Baby liegt im Gras, und Thomasin spielt Kuckuck-Da! mit ihm. Auf einmal ist das Kind wie vom Erdboden verschluckt. Die Kamera schwenkt auf den Waldrand, die Musik wird bedrohlich. Das Kind taucht auf dem Tisch einer finsteren Hexe auf, die zur Schere greift. Mit dem Blut reibt sie ihren nackten Körper ein.
Das unerklärliche Verschwinden des Kindes stürzt die Familie in eine Krise. Die Mutter kann den Schmerz nicht verwinden, William betet noch inniger und bittet Gott um die Vergebung seiner Sünden. Wir waren undankbar für Gottes Liebe, ist seine Erklärung.
Thomasins jüngere Schwester Mercy sagt: Es war eine Hexe! Im Streit beschuldigt sie Thomasin, eine Hexe zu sein. Auch die verzweifelte Mutter fängt an, das zu glauben: Thomasin hat das Zeichen ihrer Weiblichkeit empfangen. Sie muss fort!, rät sie ihrem Mann. Die bedrohlichen Ereignisse häufen sich: Auch der brave Sohn Caleb verschwindet im Wald. In einer Art Show-down geht die Hexe zum Frontalangriff über: Der Ziegenbock entpuppt sich als teuflisches Wesen in ihrem Dienst und bringt den Vater um. Die Mutter stürzt sich auf Thomasin, und findet dabei selbst den Tod. Mercy und ihr Zwillingsbruder Jonas sterben ganz nebenbei.
Eggers hat sich nach eigenen Worten sehr um das richtige Setting bemüht, tatsächlich wirken die Kostüme äußerst authentisch. Für die Dialoge hat Eggers unter anderem die Protokolle der Hexenprozesse von Salem studiert und viele Zitate aus zeitgenössischen Schriften entnommen. Selbst in der Übersetzung ahnt man die historische Ausdrucksweise. Das novembrige Grau und die vielen nächtlichen Szenen schaffen dazu eine gruselige Grundstimmung. Es kracht immer wieder, wenn William Holz hackt oder der Wind eine Tür zuschlägt.
Durchbrochen wird diese Atmosphäre in der Schlussszene. Der Ziegenbock, den die Familie Schwarzer Phillip nennt, wendet sich der übrig gebliebenen Thomasin zu und bietet ihr einen Pakt an. Er kann plötzlich reden und fragt das Mädchen: Was willst du von mir? Wünschst du den Geschmack von Butter? Ein lustvolles Leben? Wünschst du, die Welt zu sehen? Die Teenagerin zögert nicht, unterschreibt, legt ihre Gewänder ab und geht mit zum Hexentanzplatz. War The Witch bis dahin vor allem ein Psychodrama, endet es mit dieser Szene als harmloses Volksmärchen.
(The Witch, USA 2015, keine Min.-Angabe, FSK o.A., von Robert Eggers, mit Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie)