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Theater Magdeburg Antike, Comic, Paradies

Am Freitag startet das Schauspielhaus Magdeburg in die neue Spielzeit. Im Gespräch mit Schauspielchefin Cornelia Crombholz.

Von Grit Warnat 27.09.2017, 01:01

Volksstimme: Frau Crombholz, warum eröffnen Sie die neue Spielzeit mit „Antigone und Ödipus“, einem 2000 Jahre alten Stoff?

Cornelia Crombholz: Weil er hochaktuell und modern ist. Die Griechen haben sich mit den gleichen Problemen rumgeschlagen wie wir heute. Sie haben versucht, eine demokratische Ordnung für ihr Land aufzubauen, in der die Bürgerschaft die Entscheidungen treffen muss. Es sind die Anfänge der Demokratie, einer direkten Demokratie. Es gibt aus der antiken Zeit viele Stücke, die sich damit beschäftigen und der Frage nachgehen, ob es richtig ist, dass der Staat entscheidet, wie etwas gemacht wird. Der Mensch hat doch das Gefühl, dass er politische Entscheidungen nicht mehr beeinflussen kann. Ich finde, diese Fragen muss man stellen.

Sie starten mit Demokratie-Themen. In „Hello It‘s Me Democracy“ nach dem Roman „Die Stadt der Sehenden“ wird die Wahl verweigert, Menschen geben leere Wahlzettel ab. Hatten Sie die Bundestagswahl im Blick?

Nein. Seitdem ich hier am Haus bin, habe ich immer die Frage nach der Haltbarkeit unserer Grundordnung gestellt. Wenn wir beispielsweise Rechtspopulismus oder das europäische Konstrukt sehen, stellt sich doch die Frage, ob unsere Ins­trumente noch aktuell sind. Da passt das Stück bestens.

Ist Ihr Programm in diesem Jahr besonders politisch?

Es ist politisch. Wir machen Stoffe, von denen wir meinen, sie sind brisant und von Interesse, wie „Vor dem Ruhestand“ von Thomas Bernhard, der das Fortleben der Naziideologie thematisiert hat. Oder das skurrile, witzige, ernste Stück „Zeit der Kannibalen“ und Stanislaw Lems „Solaris“. Wichtig ist, dass wir mit den Themen in der Gegenwart und in der Zukunft etwas verbinden.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Zuschauer meinen, Theater könne etwas bewirken?

Ich glaube, dass sie Denkanstöße wollen, dass sie mit etwas konfrontiert, dass sie berührt werden wollen. Theater kann nichts verändern, aber es kann etwas in den Menschen auslösen. Die vergangene Spielzeit beendeten wir mit Peter Handkes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“, wo ich auch nicht wusste, wie das Stück ankommt, und dann gab es ganz viele und positive Reaktionen.

Das Stück war ohne Sprache, ein Novum am Schauspielhaus. Es war ein Wagnis. In der neuen Spielzeit bringen Sie einen Comic auf die Bühne. Wieder ein Novum?

Natürlich! „Die Präsidentin“ ist die Uraufführung eines französischen Comics. Er ist sehr politisch. Es geht um die Fiktion, dass Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National die Wahl gewonnen hat. Was wäre dann gewesen? Was wäre aus der Demokratie geworden? Für mich ist das Stück die Klammer zum Spielzeitstart, und nach den Ergebnissen der Bundestagswahl ist die Ansetzung besonders aktuell.

Sie haben für die neue Spielzeit ein „Paradies“ angekündigt, eine „Raumstation im Nirwana der Zukunft“. Was ist dieses Paradies?

Wir haben ab Februar im Studio eine Experimentierbühne, wo Stücke, Lesungen, Performances, Zusatzprogramme wie das Philosophische Bett stattfinden werden. Gemeinsam mit dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig werden Texte von Autoren geschrieben, die wir in Magdeburg in Lesungen oder Kurzinszenierungen präsentieren. Wir wollen im „Paradies“ über Demokratie, Visionen, Zukunft, Gesellschaftsentwürfe nachdenken.

Apropos Zukunft. Sie starten jetzt in Ihre vierte Spielzeit. Wissen Sie schon, ob Sie als Schauspielchefin bleiben wollen?

Ich habe noch zwei spannende Spielzeiten vor mir und dann werde ich weiterziehen. Fünf Jahre an einem Ort reichen mir aus. Als ich anfing, wollte ich unbedingt ein Theater gestalten. Das habe ich. Aber das eigene Inszenieren, das ich zuvor 27 Jahre freiberuflich gemacht habe, kommt mir hier am Haus zu kurz. Dafür bleibt kaum Zeit. Ich bin immer zur See gefahren. Hier habe ich ein festes Haus bezogen und merke, dass ich mein Schiff brauche.