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Theater "Xerxes" feiert Premiere in Magdeburg

Die Oper "Xerxes" von Georg Friedrich Händel ist im Theater Magdeburg zu sehen. Die Premiere war ein voller Erfolg.

Von Irene Constantin 11.03.2019, 05:08

Magdeburg l England, 19. Jahrhundert, eine Orangerie im viktorianischen Stil, das Umfeld mit Bank und Springbrunnen romantisch angegammelt. Bühnenbildner Pascal Seibicke hat einigen Witz auf der Magdeburger Drehbühne angehäuft, diese darf auch eifrigst rotieren. So ergeben sich Rückzugsräume und belauschbare Verstecke die Menge, unabdingbar für Familienintrigen. Und davon gibt es im Hause Xerxes mehr als genug. Meist geht es um Liebe, und wenn es um Liebe geht, dann auch um Macht.

Xerxes‘ jüngerer Bruder wird von Romilda geliebt. Und weil der kleine Bruder was hat, was der große nicht hat, will er es, also Romilda, auch haben. Von den zwei weiteren Frauen, die im Liebeskarussell mitfahren, ist die eine auch in Xerxes‘ Bruder Arsamene verliebt und die andere ist Xerxes‘ halbvergessene Verlobte.

Da werden Briefchen geschrieben und Briefchen verschwinden, es werden Cavatinen gesungen und Rache tobt in wilden Koloraturen durch die Oktaven, es werden melodienweise innige Schwüre ge- und Furien in großen Intervallen beschworen, Liebesseufzer allein und im Duett geseufzt.

Das alles kennt man aus Dutzenden, wenn nicht Hunderten spätbarocken Opern, aber im Fall „Xerxes“ wollte Händel es mal ein bisschen anders machen. Statt Liebes- und Staatsaktionen bis an den Rand des Wahnsinns oder physischer Vernichtung zu treiben und in letzter Sekunde einen von außen kommenden Deus ex machina mit der Auflösung des Falls zu betrauen, besann er sich auf die komischen Seiten der Dinge des Lebens.

Xerxes neigt zu eigentümlichen, gern auch unreifen Gefühlsausbrüchen, Arsamene lässt sich leicht beeinflussen, Romilda paktiert mit der Dienerschaft und ihre Schwester Atalanta macht sich einfach auf die Suche nach einem anderen Liebhaber. Statt eines göttlichen Überhelden löst ein schlichter Irrtum am Ende die ganze Verwirrung auf.

Regisseur Tobias Heyder lässt die wundersame Spieluhr der Beziehungen und Nicht-Beziehungen in der Endlosschleife kreisen. Am Beginn des Abends sind alle Protagonisten junge Leute, die den 70. Geburtstag der Königinmutter feiern. Xerxes vergleicht sie mit einer schattenspendenden Platane und singt ihr das berühmte „Largo von Händel“ (es ist keines, sondern ein Larghetto, und es ist keine Trauermusik) „Ombra mai fu“ als Ständchen.

Gut zweieinhalb Stunden später endet der Opernabend mit Xerxes‘ 70. Geburtstag. Zwischendurch war die Haarpracht ein wenig meliert, sind die Röcke maßvoll züchtiger geworden. Das Leben ging so vor sich hin. Die Briefchenschreiber und Liebesschwörer sind nun weißhaarig und gehen am Stock. Ihre liebebereiten Herzen aber sind die früheren geblieben – vielleicht will uns der Regisseur das sagen.

Möglicherweise soll die Zeitreise auch heißen, dass es am Hofe des achämenidischen Großkönigs und ägyptischen Pharaos, was der historische Xerxes I. tatsächlich war, auch nicht anders zuging als bei Marie Antoinette oder in der Lindenstraße. Man unterhielt sich sein Herrscherleben lang weniger mit historischen Großtaten als mit Familienkram und erotischen Eroberungen.

Jedenfalls fanden die Zuschauer den inszenatorischen Zeitraffer applauswürdig, wobei die Erheiterung über Schwerhörigkeit und kreuzschmerzliche Bücklinge sicher eine gewisse Altersabhängigkeit aufwies. Gesungen wurde in jedem Lebensalter jugendlich und vorwiegend schönstimmig. Romilda, Mariana Beridze, als unbeirrbar treue weibliche Hauptfigur hatte auch die entsprechende stimmliche Standhaftigkeit. An zurückhaltenderen Stellen, zum Beispiel im rezitativischen Duett, in dem sie ihre Treue beteuert, klang sie berückend lieblich, wenn sie auftrumpfte war jedoch eine gewisse Schärfe nicht zu überhören. In der Partie des Arsamene war der Countertenor Leandro Marziotte zu hören, ein junger Sänger, der sein Fach einfach überzeugend beherrscht.

Schöne Linien waren zu hören, seine Rolle bietet mehr ausschwingende Melodik als virtuose Skalen und Koloraturen. Die Titelrolle verlangt die gesamte Ausdrucksbreite der Opera seria der Händelzeit. Mit der jungen Mezzosopranistin Emilie Renard, neues Magdeburger Ensemblemitglied, war Händels große Kastratenpartie glänzend besetzt. Renards Stimme hat den für lyrische Stellen nötigen Wohllaut, klingt hinreißend rund und geschmeidig, hat Kraft, Beweglichkeit und kann wunderbar fließen. Für zwei ihrer virtuosen Arien gab es langen Szenenapplaus. Eine tolle Sängerin, von der man im Barockfach sicher noch einige Heldentaten erwarten kann. Auch die übrigen Rollen waren gut besetzt, sängerisch ein erfreulicher Premierenabend.

Die Magdeburgische Philharmonie spielte als Nicht-Spezialorchester einen ordentlichen, besonders in schnellen Teilen erfrischenden Händel. Am Anfang im Orchester etwas zu laut, stellte sich die Balance zwischen Bühne und sehr hochgefahrenem Graben doch mit der Zeit ein. Ein bisschen lockerer, etwas biegsamer in Tempi und Dynamik könnte der Orchesterklang durchaus noch werden; mit dem in England ausgebildeten versierten Barock-Spezialisten Nicholas Kok am Pult sind die Voraussetzungen sehr gut.