Neu im Kino Channing Tatum als „Roofman“ - Witz, Herz, Tempo und Drama
Man kann lachen, weinen und mitfiebern: Die wahre Geschichte hinter „Der Hochstapler - Roofman“ ist völlig schräg. Channing Tatum ist ein Räuber, der sich monatelang in einem Spielzeugladen versteckt.

Los Angeles - Ein Drehbuchautor hätte sich so eine schräge Story nur mit viel Fantasy ausdenken können. Kaum zu glauben, dass der Film „Der Hochstapler - Roofman“ auf einem wahren Fall beruht: Ein Mann raubt in den USA mehr als 40 Fast-Food-Filialen aus, um Geld für seine Familie zu beschaffen. Dabei geht er mit einer Waffe vor, aber nicht völlig abgebrüht. Als er Angestellte in eine Kühlkammer einsperrt, gibt er ihnen eine Jacke mit, damit sie nicht frieren.
Jeffrey Manchester wird geschnappt und zu 45 Jahren Haft verurteilt. Er denkt sich einen cleveren Fluchtplan aus. Nach dem Gefängnisausbruch hält er sich monatelang in einem riesigen Spielzeuggeschäft versteckt, schließt sich unerkannt einer Kirchengemeinde an und verliebt sich in eine alleinerziehende Mutter, bevor die Vergangenheit ihn wieder einholt.
Diesen irrwitzigen Stoff verwandelt US-Regisseur Derek Cianfrance („The Place Beyond the Pines“, „Blue Valentine“) in einen packenden Genre-Mix aus Thriller, Komödie, Drama und Lovestory, der ans Herz geht. Das ist vor allem auch den Hauptdarstellern Channing Tatum (45, „Magic Mike“, „To the Moon“) und Kirsten Dunst (43, „Spider-Man“, „The Power of the Dog“) zu verdanken, die sich glaubwürdig und mitfühlend in die Rollen hineinversetzen.
Der „Roofman“ geht über Dächer
Den Spitznamen „Roofman“ verdankt Manchester seinem besonderen Vorgehen bei der Einbruchserie Ende der 1990er Jahre - über die Dächer verschafft sich der ehemalige Army Ranger und dreifache Vater Zugang zu den Fast-Food-Restaurants. Seine Strafe verbüßt der 53-Jährige in einem Gefängnis im US-Staat North Carolina, frühestens 2036 könnte er auf freien Fuß kommen.
Der Häftling packt am Telefon aus
Für Channing Tatum war es wichtig, diesen Mann besser zu begreifen. Viele Male hätten sie miteinander telefoniert und über persönliche Dinge gesprochen, etwa über ihre Kinder, erzählt der Hollywood-Star der Deutschen Presse-Agentur. „Er gibt zu, in seinem Leben eine Reihe schlechte Entscheidungen getroffen zu haben. Ich denke, jeder kann das nachvollziehen, dass man durch ein oder zwei falsche Entscheidungen selbst in einer ganz anderen Situation wäre“, sagt der Schauspieler.
Tatum, der als junger Mann in Florida zeitweise als Stripper und Tänzer sein Geld verdiente und diese Erfahrung später für drei „Magic Mike“-Filme nutzte, ist die perfekte Besetzung. Er verkörpert alle Facetten des charismatischen Räubers, von charmant, abgebrüht und smart bis hin zu dem einsamen und gebrochen Vater, der von einem normalen Familienleben träumt.
Witzige Szenen zwischen Spielzeugregalen
Zum Lachen sind die Szenen, wenn er nachts aus seinem Versteck in dem riesigen, menschenleeren Toys-R-Us-Geschäft herauskommt und sich - manchmal nur in Unterhose, einmal gänzlich nackt - zwischen den Regalen mit Plüschtieren, Rollschuhen und auf Kinderfahrrädern austobt. Er stibitzt Babynahrung und Süßigkeiten und hackt sich in die Überwachungskameras ein. So kann er von seinem Schlupfwinkel aus unerkannt das Geschehen am Tage in dem Laden beobachten.
Da ist der kaltschnäuzige, unbeliebte Filialleiter Mitch („Game Of Thrones“-Star Peter Dinklage), aber vor allem nimmt er die von Kirsten Dunst gespielte Verkäuferin Leigh Wainscott ins Visier. Hier beginnt die abenteuerliche „Roofman“-Liebesgeschichte.
Im wahren Leben begegnet Manchester der alleinerziehenden Mutter in einer Kirchengemeinde, wo er unter falschem Namen Zeit verbringt, während er in dem Spielzeugladen versteckt lebt. Keiner schöpft anfangs Verdacht. Er wird als liebenswert und hilfsbereit beschrieben.
Dass diese Romanze kein gutes Ende haben wird, kann man sich denken. Doch tatsächlich freundet sich Manchester mit Leigh und deren beiden Töchtern an. Er bringt Spielzeuge mit, verbringt Weihnachten bei der Familie.
Eine Romanze ohne Happy End
Dunst lernte Wainscott bei den Dreharbeiten kennen. „Sie ist eine resolute Frau aus den Südstaaten. Auch ich habe Familie in Texas, ich kann das nachvollziehen“, erzählt Dunst mit einem Augenzwinkern. Sie habe Leigh als starke Frau und Mutter erlebt und so darstellen wollen, statt sie als Opfer zu sehen. „Sie waren wirklich ineinander verliebt und sie erinnert sich gerne an die gemeinsame Zeit mit Jeffrey zurück.“
Tatum und Dunst spielen dieses zum Scheitern verurteilte Paar mit einer Chemie, die ans Herz geht. Er ist der charmante Verführer, sie die lebenslustige Mom, die sich auf Anhieb gut verstehen, doch die Tragik und Aussichtslosigkeit der Situation schwingt stets mit.
Tiefgang mit Witz und Herz
Regisseur Cianfrance (51) ist vor allem für schwermütige Dramen wie „Blue Valentine“ und „The Place Beyond The Pines“, beide mit Ryan Gosling, bekannt. Er wollte zur Abwechslung eine Story drehen, die neben emotionalem Tiefgang und Spannung auch Nostalgie und etwas Spaß enthalte, erzählt der Filmemacher.
Für diese abenteuerliche Geschichte hat sich Cianfrance voll auf den „widersprüchlichen“ Manchester eingelassen. „Ich habe wohl mehr als 400 Stunden über die Jahre mit ihm am Telefon verbracht. Er ruft mich immer noch an“, sagt der Regisseur. „Ich sehe ihn als einen unglaublich charismatischen, charmanten und tragischen Menschen.“ Er würde nun mit der langen Haft für seinen Taten einen hohen Preis zahlen.
„Roofman“, nicht digital, sondern klassisch auf 35 mm gedreht, versetzt seine Zuschauer gut zwanzig Jahre zurück. Gedreht wurde nicht in Hollywood, sondern an Originalschauplätzen in North Carolina, unter anderem in der Kirche, in der sich Jeffrey und Leigh tatsächlich kennenlernten.