Faktencheck: Menschenschmuggler im Tatort
Im vergangenen Sommer schockierte der Tod von Flüchtlingen in einem Lastwagen in Österreich. Die Tatort-Kommissare haben nun mit einem ähnlichen Fall zu kämpfen. Das Szenario könnte hierzulande schnell von Fiktion zur Realität werden.
Berlin (dpa) - 23 tote Flüchtlinge in einem Lastwagen auf einem Autobahn-Rastplatz. Diese schlimme Szene aus dem neuesten Tatort scheint allzu real.
Denn der Film bezieht sich auf 71 Flüchtlinge, die im vergangenen Sommer in einem Schleuser-Lastwagen in Österreich starben. Ob so etwas auch in Deutschland passieren könnte? Der Realitäts-Check:
Kommen Menschen überhaupt mittels Schleuser in Lkw nach Deutschland?
Die Grenzen nach Deutschland werden derzeit zwar vorübergehend kontrolliert, sind aber offen. Momentan gebe es also wenig Grund, mit Hilfe von Schleusern nach Deutschland einzureisen, sagt Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Albert Scherr, Soziologe und Mitglied des Vereins Rat für Migration, aber sagt: Viele Menschen könnten die Fluchtroute durch Europe nicht zu Fuß bewältigen und suchten Alternativen. Mittels eines Schleusers nach Deutschland zu reisen ist auch eine Möglichkeit für Menschen, die kein Asyl beantragen oder die in andere Länder weiterreisen wollen.
Wie oft werden Menschen in Lkw oder Kleintransportern nach Deutschland geschleust?
Der Bundespolizei zufolge wurden zwischen Anfang Juli 2015 und dem 9. Februar dieses Jahres 64 Menschen entdeckt, die in Lastwagen oder kleineren Transportern nach Deutschland geschleust wurden. Diese Schleppermethode sei aber eher die Ausnahme. Viel häufiger werden demnach Flüchtlinge in normalen Autos über die Grenze gebracht. Zahlen hierzu werden derzeit von der Bundespolizei nicht erfasst.
Wären Todesfälle wie in dem Lkw in Österreich auch in Deutschland möglich?
Die Lkw und Kleintransporter, in denen Menschen illegal über die Grenze gebracht werden, seien meistens nicht für den Personenverkehr gebaut, sagt eine Sprecherin der Bundespolizei. Daher sei der Transport oft sehr gefährlich. Viele der Migranten, die aufgefunden wurden, seien dehydriert gewesen und hätten über Sauerstoffmangel geklagt. Unfälle im Schleusergeschäft mit Lastern seien relativ selten, berichtet Dünnwald. Denn Todesfälle seien aus Sicht von Schleppern für das Geschäft sehr schlecht.
Was sind die Schleuser für Menschen?
Dünnwald zufolge sind die meisten Schlepper lokale Akteure, die bestimmte Dienstleistungen anbieten, etwa einen falschen Pass, eine Wohnung als Unterschlupf oder eben Transportmittel über eine Grenze. Vor allem Fahrer von Schleuser-Transporten haben demnach oft gute Ortskenntnisse. Zudem gebe es große, teils transkontinentale Netzwerke. Diese veränderten sich stetig, je nachdem, wie sich die Situation an den Grenzen entwickle.
Wie lukrativ ist das Geschäft für die Schlepper?
Wie viel Migranten für das Schleusen zahlen müssen, ist je nach Herkunftsland, Route und Schleusungsmethode unterschiedlich. Laut Bundespolizei können Schlepper zum Beispiel 600 bis 800 Euro pro Person für den Transport von Mailand nach Frankfurt und 1400 bis 2000 Euro von Mailand nach Kopenhagen verlangen. Für Kinder ist es demnach bei einigen Schleusergruppen etwas günstiger.
Wie kann man das verhindern?
Grenzkontrollen sind eine Option, so werden teilweise Schlepper erwischt. Nach Meinung Dünnwalds zwingen Strafverfolgungsbehörden Schleuser indes lediglich, neue Routen und neue Möglichkeiten zu schaffen. Schließt Deutschland etwa seine Grenzen, dann wird das Schmuggelgeschäft entsprechend wieder aufblühen. Scherr sagt, so lange es für Flüchtlinge keine legale Einreisemöglichkeiten nach Europa gebe, würden Schlepper-Netzwerke davon profitieren.