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Tv-Tipp Und morgen Mittag bin ich tot

Wohl kaum ein Thema ist in Deutschland so umstritten wie Sterbehilfe. Mit der Geschichte einer schlagfertigen, lebenslustigen jungen Frau greift die ARD die Debatte in ungewöhnlicher Form auf.

Von Nada Weigelt, dpa 26.06.2017, 23:01

Berlin (dpa) - "Warum wollen Sie sterben?", fragt der Arzt. "Langsam zu ersticken finde ich zum Kotzen", antwortet die 22-jährige Lea. Für sie ist die Entscheidung gefallen. Sie leidet im Endstadium an der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose.

Wegen des zähen Schleims in der Lunge bekommt sie kaum mehr Luft, jeder Atemzug ist eine Qual. Die junge Frau ist deshalb in die Schweiz gefahren, um ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen.

Das Sterbehilfe-Drama "Und morgen Mittag bin ich tot" ist an diesem Dienstag (22.45 Uhr) in der ARD-Reihe "Filmdebüt im Ersten" zu sehen. 2014 hatte der Spielfilm von Frederik Steiner gute Kritiken bekommen, lief aber wegen des schwierigen Themas nur in ganz wenigen Kinos.

Dabei erzählt der Regisseur die existenzielle Geschichte durchaus leichthändig, mit Humor, Ironie und Einfühlvermögen. Ein Glücksgriff ist vor allem die Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries, die ihre Figur wunderbar vielschichtig spielt - lustig und todtraurig, frech und zerbrechlich.

Die junge Frau, die nur noch mit einer Sauerstoffflasche im Rucksack überleben kann, hat ihrer Familie von der Reise in die Schweiz nichts erzählt. Erst als der Arzt dort ihr wegen der Aussichtslosigkeit ihrer Situation das Rezept für das tödliche Medikament wirklich gibt, informiert sie per SMS Mutter und Schwester (Lena Stolze und Sophie Rogall).

Zusammen mit der Oma (Kerstin de Ahna) sollen sie nach Zürich kommen, um an ihrem 23. Geburtstag die letzten Stunden mit ihr zu verbringen - "Ohne Eure Hilfe kann ich es nicht". Vor allem für die Mutter bricht eine Welt zusammen. Hinter ihrer Verzweiflung, ihrem anfänglichen Unverständnis für die Tochter werden die Familiendramen sichtbar, die auch Lea geprägt haben.

Der Vater hat die Familie früh verlassen, um mit seiner Freundin und ihren beiden gesunden Kindern einen Kajakverleih in Südamerika aufzumachen. Und der ältere Bruder, mit dem sie fast symbiotisch verbunden war (sie nennt es "Mukomagie"), ist ebenfalls an der heimtückischen Krankheit gestorben. Er hat den Versuch einer Lungentransplantation nicht überlebt.

Lea hat sich deshalb gar nicht erst auf die Liste setzen lassen. In einem winzigen Zimmer der Zürcher Pension wartet sie nun auf "morgen Mittag". Dass sie dabei innerhalb von 24 Stunden auch noch eine Beinahe-Romanze mit dem "Psycho" von nebenan beginnt und ihre unglückliche Liebe aus Deutschland für ein letztes Herz-Schmerz-Treffen auftaucht, ist - zugegeben - ein bisschen dick aufgetragen.

An mancher Stelle hätte der Geschichte dafür vielleicht doch ein bisschen mehr Tiefgang gutgetan. So klingt beispielsweise die Diskussion um eine mögliche Geschäftemacherei beim begleiteten Suizid nicht ansatzweise an. Und wohl auch nicht jeder Patient dürfte vor Ort eine so behütete, geborgene Atmosphäre vorfinden.

Dennoch: Der Film lohnt. Und er lohnt schon allein wegen der großartigen Leistung der Hauptdarstellerin. Die Berlinerin Liv Lisa Fries, heute 26, erhielt für ihre Rolle den Bayerischen Filmpreis und den Max-Ophüls-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin. Im Herbst spielt sie in der mit Spannung erwarteten deutschen Fernsehserie "Babylon Berlin" die wichtigste Figur neben Volker Kutschers Kommissar Rath.

"Glück ist eine Frage der richtigen Perspektive", sagt sie als Muko-Kranke. Vielleicht ist da ja was dran.

Sendungshomepage

Trailer zum Film