1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. TV & Streaming
  6. >
  7. Neu im Kino: „Zwei Staatsanwälte“: Politdrama über Stalins Terror

Liveticker

Neu im Kino „Zwei Staatsanwälte“: Politdrama über Stalins Terror

Nach erfolgreicher Premiere in Cannes kommt das russische Drama „Zwei Staatsanwälte“ nun ins Kino. Es geht um Justizwillkür und Folter in Moskaus Straflagersystem, das bis heute Schrecken verbreitet.

Von Ulf Mauder, dpa 18.12.2025, 07:00
Alexander Alexandrowitsch Kusnezow als Alexander Kornev in einer Szene des Films „Zwei Staatsanwälte“.
Alexander Alexandrowitsch Kusnezow als Alexander Kornev in einer Szene des Films „Zwei Staatsanwälte“. -/PROGRESS Filmverleih/dpa

Moskau - Dem jungen Staatsanwalt Alexander Kornew ist das Entsetzen nach einem Besuch in einem Straflager der russischen Provinz anzusehen. Gerade hat er einen Gefangenen besucht, der gezeichnet ist von Folterspuren der Geheimpolizei NKWD. 

So ist es zu sehen in „Zwei Staatsanwälte“, dem neuen Film von Sergei Loznitsa. Beim Filmfest Cannes bekam das Drama sehr gute Kritiken, nun kommt es in deutsche Kinos. Ein Kinostart in Russland hingegen ist nicht zu erwarten.

Ein zutiefst erschütterndes Drama

Es ist das Jahr 1937, die Hochzeit des kommunistischen Terrors unter Sowjetdiktator Josef Stalin. Massenhaft werden Menschen im Gulag, wie das sowjetische Lagersystem heißt, gequält und getötet. Da wird Staatsanwalt Kornew ein wichtiger Zeuge, der sich auf eine lebensgefährliche Mission begibt, um den Staatsterror zu beenden.

Regisseur Loznitsa, der schon gut 20 Jahre in Deutschland lebt, in Belarus geboren und in der Ukraine aufgewachsen ist, hat mit russischen Schauspielern im Exil ein zutiefst erschütterndes Drama gedreht. In Russland ist keine Erlaubnis für öffentliche Filmvorführungen von den Behörden zu erwarten.

Kornew (Alexander Kusnezow) trotzt dem Widerstand der Straflagerleitung und dringt zu dem schwer misshandelten politischen Gefangenen Stepniak vor. Der alte Mann berichtet von Folter, Nahrungs- und Schlafentzug; die Kerkerführung will ihn zu einem Geständnis des Hochverrats zwingen. Stepniak bleibt standhaft, wittert ein Komplott von Karrieristen, die die echten Bolschewiken wie ihn, aber auch Tausende andere ehrliche sowjetische Menschen durch erfundene Verbrechen diffamieren und vielfach auch loswerden wollen.

Einer der Kritikerfavoriten in Cannes

Stepniak (Alexander Filippenko) will, dass Kornew in Moskau am besten per Audienz bei Stalin selbst vorspricht, um das Unrechtssystem anzuzeigen. Kornew, der Stepniak aus dem Jurastudium kennt, hat gelernt, dass erzwungene Geständnisse nichts gelten – und Staatsfeinde nur durch nachgewiesene Verbrechen zu verurteilen sind. Er macht sich auf den Weg.

Loznitsas Film, der in Cannes als einer der Kritikerfavoriten im Wettbewerb lief und den François Chalais Prize bekam, erzählt in kriechendem Tempo – passend zur zähen kommunistischen Bürokratie - ganz plakativ von schwersten Menschenrechtsverstößen. Protagonist Kornew trifft in Moskau schließlich Stalins Chefankläger, den berüchtigten Generalstaatsanwalt Andrej Wyschinski. Zwei Staatsanwälte in einem Raum.

In einem jugendlich naiven Unterfangen berichtet Kornew dem obersten Strafverfolger der Sowjetunion von illegalen Methoden, vom systematischen Unrecht in den Straflagern – und bittet um Rückendeckung, da Abhilfe zu schaffen. Was ihm nicht klar ist: Er hat den Drahtzieher sowjetischer Schauprozesse vor sich, der bis heute als Inbegriff von Justizwillkür und politischer Repression gilt. Gutgläubig kehrt der junge Staatsanwalt, eine ehrliche Haut, nach einer verhängnisvollen Zugfahrt zurück ins heimatliche Brjansk und steuert auf sein logisches Ende zu.

Autor Georgi Demidow überlebte Straflager

Loznitsa hat sich vor allem als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht. Er erzählt die schaurige Story um den Idealisten Kornew nach der Erzählung des Straflager-Überlebenden Georgi Demidow unaufgeregt in düsteren Bildern mit gedämpften Farben, beinahe in Schwarz-Weiß-Optik. Demidows Werk war wie das anderer Gulag-Überlebender, etwa Alexander Solschenyzin, zu Sowjetzeiten verboten.

Bis heute sind die Straflager in Russland und in Loznitsas Herkunftsland Belarus (früher Weißrussland) berüchtigt für ihre Brutalität. Zu Hunderten sitzen politische Gefangene, die sich gegen die Führung stellen, in beiden Ländern in den Kolonien ein. Noch immer werden auch Menschen zu Tode gequält, wie nicht zuletzt der Fall des Kremlkritikers Alexej Nawalny zeigte.

Moskaus Machtapparat reagiert seit langem empfindlich, wenn die Geschichte politischer Verfolgung, Morde durch Geheimdienste und dunkle Kapitel in ihrer ganzen brutalen Kälte gezeigt werden – wie jetzt so eindringlich in Loznitsas Film. Vielmehr sind Filmemacher in Russland aufgerufen, vom Kreml immer wieder proklamierte traditionelle Werte, vor allem Heldengeschichten und Patriotismus, auf die Leinwand zu bringen. Schmerzhafte Seiten der Geschichte bleiben dabei unberührt.