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Magdeburger Ballett-Premiere der "Tanzbegegnungen 3" begeistert aufgenommen Unterhaltsam-kontrastreiche Begegnungen

Von Helmut Rohm 06.05.2013, 01:29

Nun ist es eine echte Reihe geworden. Zum dritten Mal erlebten begeisterte Ballettfreunde "Tanzbegegnungen". Premiere für zwei Uraufführungen war am Freitagabend im Magdeburger Schauspielhaus.

Magdeburg l Es war sowohl eine unterhaltsame Begegnung zwischen Zuschauern und dem Ballett, aber ebenso eine kontrastreiche Begegnung zweier Choreografien. Die Magdeburger Ballettmeisterin Olga Ilieva schuf "Phase B", zum überhaupt ersten Mal komplett in alleiniger Verantwortung. Im Teil zwei des Abends präsentierte der zum ersten Mal in Magdeburg tätige Can Arslan seine Choreografie "Irrgarten". Beide Inszenierungen stellen die Auseinandersetzung im reizvollen Spannungsfeld mit anderen Menschen sowie mit sich selbst ins Zentrum.

Der Zuschauer erlebt Olga Ilievas ausdrucksstarke Interpretation eines künstlerischen Schaffensprozesses als Weg von Phase A mit dominantem Misstrauen zu Phase B mit optimistischem Vertrauen und gewachsenem Selbstvertrauen. Kongenial zur düsteren und fast verzweifelnden Stimmungslage des Künstlers (Mohamed Sayed) sind Bühnenbild und Kostüme (Pascale Arndtz für beide Teile des Ballettabends) grau in grau, zunächst jedenfalls. Trefflich eingesetzte Musik von Vivaldi, Lars Lehmann und Steve Reich bereichert die Gefühlscharakterisierung.

Die Muse (Anastasia Gavrilenkova), ganz in strahlendem Weiß, animiert den Künstler, weckt Visionen. Das Geschehen auf der Bühne wird durch die Beziehungen zwischen Künstler und den "Figuren" (fünf Paare) getragen: Konfrontation, Rückschläge, Ängste, Annäherung... Schließlich siegt das Vertrauen, einhergehend mit dem einfallsreichen Farbwechsel der Kostüme. Alles endet in einem Tanzfest.

Apropos Tanz. Meisterlich klassisch getanzte Soli und Pas de deux sowie temporeiche und bestens getimte Gruppenaktionen gestalteten sich zu einem nachhaltigen Balletterlebnis, das vom Publikum im fast ausverkauften Haus gefeiert wurde.

Für sein "Irrgarten"-Ballett holte sich Can Arslan inhaltliche Anregungen beim Psychiater C. G. Jung (1875-1961) und dessen Analysen zum Unterbewusstsein, über "die nach innen und außen gerichtete Persönlichkeit". Dies zu wissen, ist dem Zuschauer sicher hilfreich, das Ansinnen dieser Inszenierung, die mystisch und mysteriös in geistige Labyrinthe eintaucht, zu verstehen. Offen ist, ob damit Parallelen zum realen "Irrgarten des Lebens" mit all seinen fremdgesteuerten sowie zunehmend persönlichkeitslosen Entwicklungen möglich werden.

Anleihen aus der griechischen Mythologie

In der Umsetzung ist Can Arslan dann aber konsequent. Hauptfiguren sind Anlehnung an die griechische Mythologie Anima (Claire-Louisa Paterson), Schatten (Andreas Loos) und Persona (Adam Reist). Andreas Loos agiert im Prozess der Selbstfindung mit Maske, möglicherweise als Symbolik für den Verlust der Identität in der Gegenwart. Die "Spiegelungen" werden von den übrigen Ensemblemitgliedern getanzt.

Apropos Tanz. Die Choreografie greift nur andeutungsweise auf klassischen Tanz zurück. Für den Zuschauer bedeutet das, sich zunächst neu "einzusehen". Modern ausgerichtete Bewegungsabläufe sind das Mittel, in sich scheinbar unterbewusst vollziehende Gefühlszustände einzutauchen. Die Tänzer brillieren dann auch mit ungemein ausdrucksstarken und packenden Szenen, agierend in einem wieder spärlichen, aber symbolträchtigen Bühnenbild. Diesem weitgehend Unwirklichen des "Irrgartens" verleiht die Wahl der minimalistischen Musik von Plastikman sowie Alva Noto Ryuichi Sakamoto mit sphärischen Andeutungen einen hin und wieder fast bedrückenden Höreindruck. Beeindruckend war dieses Ballett auf jeden Fall, wie der auch hier euphorische Beifall bewies.

Fazit: Zwei Uraufführungen bildeten einen erlebnisreichen Tanzabend, der an diesem Donnerstag wieder besucht werden kann.