Im Magdeburger Puppentheater erlebt "Die Meerjungfrau in der Badewanne" eine gefeierte Premiere Wunderbar poetische Geschichte über das Leben
Es gibt wohl nur wenige Kunstformen, die der Kreativität so viel Spielraum bieten, wie das Puppenspiel. Die vom Publikum begeistert gefeierte Premiere von "Die Meerjungfrau in der Badewanne" stellte das am Sonnabend erneut unter Beweis.
Magdeburg l Es ist eine Geschichte voller Poesie, voller Träume, die sich mit der Realität mischen, die das Leben mit dem dazugehörigen Tod verbinden, der Begegnung von Jung und Alt, von Verlust und Trauer.
Im Mittelpunkt steht der Lebensabschnitt des siebenjährigen Philipp, der mit zwei Jahren seine Mutter an das Meer verliert und an einem geheimen Rückzugsort, einer Düne am Strand, Zwiesprache mit ihr hält.
Sie sei eine Meerjungfrau gewesen, die die Sehnsucht nach den Wellen nicht mehr ausgehalten habe, hatte ihn sein Vater, Hutmacher und Geschichtenerzähler, versucht zu trösten. Der Beweis: Schwimmhäute zwischen den Zehen und eine Fischschuppe als Erinnerung.
In seinen Träumen nimmt Philipp zu ihr Kontakt auf, erzählt von seiner heimlichen Freundin Doro, von seinem Fahrrad, das jeden Tag in der Schule neben dem von Doro steht, von Martha, dem Baby, das am Anfang der Geschichte den Kreislauf des Lebens eröffnet und von der schwarzen Witwe im weißen Haus, die auf ihren toten Mann wartet und den Lebenszyklus mit dem Tod schließt.
Dazwischen liegen viele anrührende Geschichten, Ereignisse, Begebenheiten, die manchmal ganz unbedeutend scheinen, und doch so wichtig sind.
Diese Vielschichtigkeit von Fantasie und Realität auf die Bühne zu bringen, schien sogar dem holländischen Autor Koos Meinderts, der eigens zur Premiere angereist war, kaum möglich. Nach der Premiere verriet er aber, dass auch er von der Umsetzung fasziniert sei.
Nach langer Pause führte Frank Bernhardt Regie
Wer den Hauptanteil an diesem großen Erfolg hatte, ist nicht einfach auszumachen und vermutlich auch nicht wichtig. Leonhard Schubert erzählt, spielt, animiert und lebt förmlich die Geschichte des kleinen Philipp. Jahrgang 1988, geboren in Magdeburg, studiert er derzeit Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in Berlin.
Es ist eine enorme Leistung, die er auf der Bühne vollbringt. Neben der Textmenge ist da der Wechsel zwischen den einzelnen Spielorten und die Form des historischen Papiertheaters mit den Flachfiguren, die allenfalls den Kopf bewegen können. Sie müssen vom Protagonisten über die einzelnen Spielorte bewegt werden.
Diese Kombination zwischen Erzähltheater, Papierfiguren und der offenen Bühne ist in der Konsequenz dieser Form zumindest für das Puppentheater Magdeburg einzigartig.
Sie allein schafft aber die Möglichkeit, dass die Zuschauer - gedacht ist an Kinder ab sechs Jahren ebenso wie an Erwachsene - viel Freiraum für die eigene Fantasie, für Assoziationen, für Freude und Trauer finden. Das ist das Geheimnis dieses wunderschönen poetischen Stückes, das Geheimnis, einen solchen Stoff überhaupt auf die Bühne bringen zu können.
Hinzu kommt die außerordentlich feinfühlige Regie von Frank Bernhardt. Er hat als künstlerischer Leiter des Puppentheaters Magdeburg wesentlichen Anteil an der international bedeutsamen Entwicklung des Hauses und nutzte nun nach 15 Jahren Regieenthaltsamkeit die Chance, diesen poetischen Stoff zu inszenieren.
Man spürt den harmonischen Dreiklang zwischen der Regie, einschließlich der mit besonderem Lob bedachten Regieassistentin Anne Katrin Peuckmann, dem Schauspieler, Erzähler, Puppenspieler und mit akrobatischen Einlagen agierenden Leonhard Schubert und der Dramaturgie von Tim Sandweg. Die besondere Form des Papiertheaters in dieser experimentellen Form bildete dann den perfekten Rahmen.
"Die Meerjungfrau in der Badewanne" ist weit mehr, als eine weitere in der Reihe hervorragender Inszenierungen der letzten Zeit.
Es ist ein Stück, das Kinder wie Erwachsene gleichermaßen ergreift und nicht wieder loslässt. Es ist das Thema von Leben und Tod, von Entstehen und Vergehen, von Trauer und ihrer Bewältigung, das keine Zeit und kein Alter kennt. Man sollte es gesehen haben.
Nächste Vorstellungen bis zum 18. Februar täglich.