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Suche nach Nofretete: Sensation im Tal der Könige?

Mehr als 3000 Jahre blieben sie unentdeckt: Kammern hinter dem Grab von Pharao Tutanchamun in Ägypten - jedenfalls, wenn die spektakuläre Theorie eines Archäologen stimmt. Doch es gibt Zweifel - und viele Fragen.

Von Gioia Forster und Benno Schwinghammer, dpa 04.12.2015, 08:13

Kairo (dpa) - In Ägypten wird zurzeit sehr viel über Sensationen geredet. Ausgelöst hat diese Euphorie ein britischer Archäologe mit einer Theorie, die den Puls von Abenteurern in die Höhe treibt.

Noch mehr Auftrieb bekamen die Betrachtungen des angesehenen Forschers Nicholas Reeves vor wenigen Tagen, als Messergebnisse seine Annahmen zu bestätigen schienen. Seitdem gibt es neben viel Aufregung auch einige Fragezeichen.

Worum geht es genau?

Reeves hatte vor einigen Monaten mit einem Aufsatz über Linienstrukturen in zwei Wänden der 1922 entdeckten Grabkammer des Kindkönigs Tutanchamun (um 1330 v. Chr.) für Aufsehen gesorgt. Er erkannte auf hochauslösenden Fotografien und Laserscans nicht nur vermauerte Durchgänge, sondern hält auch den Sarkophag der Nofretete hinter ihnen für möglich.

Dass sich gerade die sagenumwobene Pharaonengattin - ihre Büste auf der Berliner Museumsinsel ist weltberühmt - hinter der Kammer verbergen soll, erklärt Reeves etwa mit der Verbindung zwischen ihr und Tutanchamun. Nofretete war dessen Stiefmutter und - in Reeves Theorie - gleichzeitig seine Vorgängerin als Pharaonin.

Ist das alles schon eine Sensation?

Obwohl Experten kaum noch daran zweifeln, dass sich in der Grabkammer bislang unentdeckte Hohlräume befinden und die Messergebnisse dies ebenso nahelegen, ist Reeves Theorie noch lange nicht bewiesen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, nennt die Vermutung, die Mumie Nofretetes sei hinter der Nordwand des Grabes, pure Spekulation. So ist bislang noch unklar, ob mögliche Räume überhaupt groß genug für einen Sarkophag wären.

Also ist völlig unklar, ob tatsächlich Nofretete gefunden wird?

Ja. Selbst wenn die Existenz eines unentdeckten Raums bewiesen wird, könnte sich alles darin verbergen. Pharaoninnen, Grabbeigaben für Tutanchamun - oder einfach nur die staubige Luft einer Tausende Jahre leerstehenden Kammer. Aber selbst das wäre eine große Entdeckung.

Mit welchen Mitteln wird versucht, das Geheimnis zu lüften?

In den vergangenen Wochen führte Reeves gemeinsam mit einer Forscherdelegation Messungen im Tal der Könige durch. Dabei wurden Wärmebildaufnahmen mit Infrarot gemacht sowie Radar eingesetzt. Beide Verfahren legten die Existenz verborgener Räume nah. Die Radaraufnahmen werden in den nächsten Wochen weiter ausgewertet.

Wie geht es dann weiter?

Wenn sich die Experten sicher sind, dass es weitere Räume gibt, wollen sie diese auch erkunden. Das Problem: Eine Wand will dort niemand so einfach durchbrechen, denn die Malereien in der Kammer gehören zu den wertvollsten und bekanntesten der Welt. Es liegt auf der Hand, dass mit Sonden gearbeitet wird, sagt der belgische Ägyptologe Harco Willems. Dafür würde eine kleine Kamera durch ein Bohrloch in der Wand geführt, um den unbekannten Raum auszukundschaften. Es wäre wohl das erste Mal seit mehr als 3000 Jahren, dass Licht in die Kammer fällt.

Wie konnten die vielen Archäologen einen möglichen Raum fast 100 Jahre lang übersehen?

Für Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin, ist das nicht verwunderlich. Zunächst einmal stünden die Verfahren, mit denen man der Entdeckung auf die Spur kommen konnte, erst seit etwa der Jahrtausendwende zur Verfügung. Über Jahrzehnte hätte den Wissenschaftlern die hochwertige Dokumentation nach der Entdeckung in den 20er Jahren gereicht. Ohne entsprechende Hinweise habe man zudem einfach nicht angefangen, zu suchen: Die Frage "Gibt es eine neue Kammer im Grab von Tutanchamun?" hat sich erst einmal nicht gestellt, erklärt die Expertin.

Kann der gebeutelte Tourismus in Ägypten davon profitieren?

Davon kann erst einmal keine Rede sein. Erst einmal muss abgewartet werden, inwieweit sich die spektakuläre Theorie überhaupt bewahrheitet. Natürlich wäre ein solcher Sensationsfund sehr hilfreich, erklärt Elia Gad, Produktverantwortlicher für Ägypten beim Reiseveranstalter FTI. Allerdings kämen die meisten Touristen aus Deutschland immer noch zum Baden nach Ägypten - in diesem Bereich waren die Buchungszahlen nach dem Absturz eines russischen Ferienfliegers Ende Oktober eingebrochen. Die Maschine war wegen eines mutmaßlichen Bombenanschlages auf der Sinai-Halbinsel zerschellt.

Bild der bemalten Nordwand der Grabkammer

Reeves Theorie