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Gurlitt-Taskforce: Viel Zeit, wenig Ertrag

Zwei Jahre lang hat eine Expertengruppe die umstrittene Gurlitt-Sammlung erforscht. Gerade mal eine Handvoll Werke hat sich als NS-Raubkunst erwiesen - zumindest bisher.

Von Nada Weigelt, dpa 22.12.2015, 09:15

Berlin (dpa) - Am Anfang gab es hochfliegende Erwartungen. Die Taskforce zum spektakulären Münchner Kunstfund von Sammler Cornelius Gurlitt sollte ihre Arbeit 2015 im Wesentlichen abgeschlossen haben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) versprach die Rückgabe von NS-Raubkunst ohne Wenn und Aber.

Jetzt steht das hochkarätige internationale Expertengremium vor seiner Auflösung - und vor einem Debakel, wie manche Kritiker meinen. Bei gerade mal fünf von rund 500 raubkunstverdächtigen Werken ließ sich klar Nazi-Unrecht nachweisen: nach zweijähriger Arbeit und 1,7 Millionen Euro Fördergeldern eine Aufklärungsquote von einem Prozent.

Eine Blamage, befinden Grüne und Linke. Und vor allem die Opfer sind enttäuscht. Die Taskforce habe die Aufklärung nicht genügend vorangetrieben und damit die Rückgabe von Raubkunst - anders als von den Überlebenden der Shoah und ihren Erben erwartet - nicht zügig erledigt, kritisiert Ruediger Mahlo von der jüdischen Opfervertretung Claims Conference in Deutschland.

Mitte Januar will die Taskforce offiziell ihren Abschlussbericht vorlegen. Zu jedem der 499 zweifelhaften Werke, seit Ende 2013 auf der Datenbank Lost Art ( www.lostart.de) eingestellt, sollen die bis dahin gesicherten Ergebnisse zusammengefasst werden. 

Seit zwei Jahren sorgt der Fall Gurlitt für Schlagzeilen. Damals war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft in der Münchner Wohnung des Eigenbrötlers mehr als 1250 teils hochkarätige Kunstwerke beschlagnahmt hatte. Später kamen aus seinem heruntergekommenen Haus in Salzburg nochmals fast 250 Bilder hinzu - darunter Arbeiten von Picasso, Renoir und Monet.

Die jahrzehntelang geheim gehaltene Sammlung stammt von Gurlitts Vater Hildebrand, der trotz seiner teils jüdischen Abstammung einer der wichtigsten Kunsthändler der Nazis war - und nebenher eine private Sammlung aufbaute. Die Forscher sollten klären, wie viele seiner Bilder den einstigen jüdischen Besitzern von den Nazis gestohlen oder zu Spottpreisen abgepresst worden waren. 

Schon vor der Abschlussbilanz warnte Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel bei Anhörungen im Bundestag und im Bayerischen Landtag vor allzu großen Hoffnungen. Bei einer ganzen Reihe von Werken wird sich die Herkunft wegen fehlender Quellen wohl nicht mehr lückenlos klären lassen, sagte sie. 

Wer ist - neben der schwierigen Quellenlage - verantwortlich für die magere Bilanz? Die Verantwortlichen halten sich mit öffentlichen Schuldzuweisungen auffallend zurück. Fest steht aber, dass viele der nationalen und internationalen Experten gar nicht selbst Provenienzforscher waren, sondern sich allenfalls als Vermittler oder Netzwerker einschalten konnten. 

Zudem gab es angesichts der riesigen Datenmengen Reibungsverluste bei der internen Kommunikation. Und auch die Zuordnung zu dem Anfang 2015 gegründeten Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg hat nach Einschätzung von Insidern wertvolle Zeit gekostet.

Im neuen Jahr soll die Arbeit nach dem Willen von Staatsministerin Grütters nun in einem neuen Projekt unter dem Dach des Magdeburger Zentrums weitergeführt werden. Deutschland steht dabei unter besonderer Beobachtung. Denn international gilt der Umgang mit dem Gurlitt-Erbe als ein Signal, wie sich Deutschland heute dem dunkelsten Kapitel seiner Vergangenheit stellt.

Natürlich müssen wir die Ergebnisse der Taskforce erst abwarten, sagt Prof. Uwe M. Schneede, Stiftungsvorstand des Magdeburger Zentrums. Aber unser Ziel ist in jedem Fall, schneller und transparenter zu arbeiten. Wir wollen aus Fehlern lernen. 

Größter Unsicherheitsfaktor bleibt vorerst jedoch weiter der Rechtsstreit um das Erbe. Gurlitt hatte die Sammlung mit seinem Tod 2014 dem Kunstmuseum Bern vermacht, eine Cousine ficht das Testament an. Bis zum 1. Februar können die Beteiligten nun zu einem Gutachten über Gurlitts Geisteszustand Stellung nehmen. Erst danach wird das Oberlandesgericht München entscheiden.

Taskforce Schwabinger Kunstfund

Lost Art Datenbank

Zentrum Kulturgutverluste