Finanzpolitik Banken verlieren, der Kunde zahlt
Die historisch niedrigen Zinsen in der Eurozone lassen die Banken leiden. Der Negativzins kommt auch bei den Verbrauchern an.
Frankfurt/Main (dpa/AFP) l Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpt Milliarden in den Markt. Zugleich brummt sie Banken immer höhere Strafzinsen auf, wenn die Institute Geld bei ihr parken. Damit sollen Mini-Inflation und schwächelnde Konjunktur angekurbelt werden. Bislang verlangen Banken und Sparkassen von Durchschnittskunden kein Geld dafür, dass sie ihre Ersparnisse bei ihnen anlegen. Doch die Nebenwirkungen der EZB-Geldpolitik treffen auch Verbraucher.
Kontoführungsgebühren: Vor allem Kunden von Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen sind von steigenden Gebühren für die Kontoführung betroffen, wie Sigrid Herbst von der Finanzberatung FMH sagt. Oftmals erfolge die Gebührenerhöhung „durch die Hintertür“: Die Institute würden Kontoumstellungen mit zusätzlichen Leistungen vornehmen und zugleich die Gebühren erhöhen. Zum 1. April wird es beispielsweise bei der Sparkasse Kleve teurer. Das Institut erhöht die Gebühren für das Privatgirokonto. Als Grund dafür nennt die Sparkasse die allgemeine Preissteigerung in den vergangenen Jahren, aber auch das Niedrigzinsumfeld in der Eurozone.
Fremde Geldautomaten: Seit 2011 gab es eine freiwillige Vereinbarung unter vielen Banken, die Kosten für Kunden fremder Banken beim Geldabheben an den eigenen Automaten auf 1,95 Euro pro Abhebung zu deckeln. Bereits zum Jahresende seien „etliche Banken“ aus der Vereinbarung ausgestiegen, teilt der Bankenverband mit. Die Abhebegebühren sind zum Teil um mehr als zwei Euro gestiegen. Teurer wird es zum Beispiel bei der Deutschen Bank und der Commerzbank. Sparkassen hatten sich von Anfang an nicht an der Vereinbarung beteiligt.
Giro- und Kreditkarten: Nicht nur Kontoführungsgebühren oder Kosten für Überweisungen können ansteigen, sondern auch Gebühren für Karten. Bei der Spardabank West beispielsweise kostet eine Girokarte ab dem 1. April zehn Euro pro Jahr. Auch hier nennt die Bank als einen Grund die derzeit sehr niedrigen Zinsen. Ein weiterer Grund ist die Neuregelung bei den sogenannten Händlergebühren. Unter diesen Gebühren werden Kosten verstanden, welche die Bank eines Kunden der Bank eines Händlers in Rechnung stellt, wenn der Verbraucher beim Händler oder Dienstleister per Karte zahlt. In der EU werden die Gebühren für Kreditkarten und andere Bankkarten künftig auf 0,2 Prozent des Transaktionswerts gedeckelt. Nach Schätzungen der EU-Kommission zahlen Einzelhändler in Europa bisher rund zehn Milliarden Euro jährlich für Kartenzahlungen. Dank der Neuregelung werden die Kosten demnach um etwa sechs Milliarden Euro reduziert. Was für die Händler eine gute Nachricht ist, ist für die Banken eine schlechte: Sie zahlen künftig mehr. Viele werden die Kosten an die Kunden weitergeben, wie das Beispiel der Spardabank West zeigt.
Besitzer von Fondsanteilen: Bei Geldmarktfonds und Rentenfonds mit kurzer Laufzeit werde es bei steigenden Strafzinsen immer schwieriger, Renditen zu erzielen, heißt es etwa bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken.Im Schnitt halten die Fonds drei bis fünf Prozent des Volumens liquide vor. Dieses Geld werde von einigen Banken negativ verzinst. „Die negativen Zinsen entwickeln sich zunehmend zu einer Substanzbesteuerung für die Anleger“, kritisiert Frank Engels, Leiter Rentenfondsmanagement bei Union Investment.
Lebensversicherungen: Sie leiden ohnehin unter den Niedrigzinsen und werfen weniger ab. Von institutionellen Investoren wie Versicherungen „muss die Parkgebühr mit bezahlt werden, das können wir nicht drauflegen“, sagt der geschäftsführende Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Gerhard Grandke. Die Lebensversicherer legen das Geld ihrer Kunden vor allem in Staatsanleihen an. Diese werfen wegen der EZB-Geldpolitik aber kaum oder gar nichts mehr ab. Versicherern fällt es schwerer, hohe Garantieversprechen aus der Vergangenheit zu erwirtschaften. Die laufende Verzinsung aus Garantiezins und Überschussbeteiligung sinkt im Schnitt.
Gesundheitsfonds: Der Fonds, der die Gelder für gesetzliche Krankenkassen einsammelt und an sie verteilt, zahlte im vergangenen Jahr rund 1,8 Millionen Euro Strafzinsen. Dadurch schmilzt die Liquiditätsreserve von rund 10 Milliarden Euro etwas ab, wie ein Sprecher des Bundesversicherungsamtes erläutert. Das habe aber keine Folgen für die Höhe der Zusatzbeiträge.
Krankenkassen: Negativzinsen seien kein Problem, heißt es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Falls ein Finanzhaus Strafzinsen ankündige, würden die Kassen wechseln. Beim Verband der Privaten Krankenversicherung ist man gelassen: Im Schnitt erwirtschafteten die Privaten eine Nettoverzinsung von mehr als 3,5 Prozent: „Versicherte müssen also keine höheren Beiträge in Folge von Negativzinsen befürchten.“
Bankgebühren: „Wir werden versuchen, das Thema Negativzinsen unseren Privatkunden nicht zuzumuten“, sagt der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich. Allerdings könnten Geldhäuser gezwungen sein, an der Gebührenschraube zu drehen. „Jeder muss in seiner Bank überlegen, wie er über Konditionengestaltung gegen die Ertragsverluste anarbeitet, die ohne Zweifel da sind.“ Finanzexpertin Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband geht davon aus, „dass Banken schauen, wo sie heute Geld verdienen können, weil ein Teil ihrer Einnahmen wegbricht.“ Aus ihrer Sicht könnte ein Zusammenhang mit den als überhöht kritisierten Dispozinsen bestehen.
Tagesgeld und Sparbuch: „Generell ist die Zinspolitik für Verbraucher, die überwiegend in sichere Anlageprodukte investieren, kritisch“, sagt Finanzexpertin Mohn. „Die Niedrigzinsphase müsste Anlass sein, über die Verteilung der Ersparnisse nachzudenken und zum Beispiel mehr in Aktien zu investieren.“
Kredite: Kreditnehmer profitieren von den Niedrigzinsen - für sie wird es günstiger. Allerdings warnte der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, jüngst: Wenn die Zinsen negativer würden, müssten Banken höhere Zinsen für Kredite fordern.