Arbeitslosigkeit in der Schwangerschaft Beschäftigungsverbot: ALG I gestrichen
Zum Schutz von Leben und Gesundheit einer werdenden Mutter oder ihres ungeborenen Kindes hat der Gesetzgeber ein Beschäftigungsverbot vorgesehen. Es tritt laut Mutterschutzgesetz ein, wenn nach ärztlichem Zeugnis eine weitere Beschäftigung der Schwangeren gesundheitsgefährdend ist. Wegen eines solchen Risikos sprach die Frauenärztin einer werdenden Zwillingsmutter ein generelles individuelles Beschäftigungsverbot aus.
Von Gudrun Oelze
Normalerweise legt man die entsprechende Bescheinigung dem Arbeitgeber vor. Die junge Frau aus dem Landkreis Börde aber ist arbeitslos und reichte das Schreiben daher bei der Agentur für Arbeit ein. Die strich ihr sofort das Arbeitslosengeld I. Die Schwangere stehe den Vermittlungsbemühungen nun ja nicht mehr zur Verfügung, hieß es zur Begründung.
Bis vor einem halben Jahr noch konnten arbeitslose Schwangere mit einem vom Arzt verordneten Beschäftigungsverbot durchaus weiter Arbeitslosengeld erhalten. Das SGB I regelt im allgemeinen Teil nämlich, dass bei strittiger Erbringung von Sozialleistungen zwischen mehreren Leistungsträgern derjenige vorläufig weiter zu zahlen hat, bei dem zuerst Gelder beantragt wurden.
Diese Regelung zur vorläufigen Leistungsgewährung in Fällen von Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz hat die Bundesagentur für Arbeit im Oktober vergangenen Jahres zurückgenommen. Die Arbeitslose sei gehindert, eine Beschäftigung aufzunehmen und objektiv nicht verfügbar, heißt es in der Weisung.
Zwei Jahre vorher hatte das Landessozialgericht Hessen jedoch argumentiert, dass in solchen Fällen die Arbeits-agentur als "Ersatzarbeitgeberin" zuständig sei. Im Urteil wurde damals der Anspruch Schwangerer mit Beschäftigungsverbot auf Arbeitslosengeld betont. Dieser Richterspruch wird von der Agentur für Arbeit nun aber nicht mehr verallgemeinert. Das teilte man auch unserer Leserin aus dem Bördekreis auf ihren Widerspruch hin mit.
Ergänzendes Gutachten erstellen lassen
Ein Beschäftigungsverbot bezieht sich normalerweise nur auf die derzeit ausgeübte Beschäftigung, beschwichtigt die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage der Redaktion Leseranwalt. Da eine Arbeitslose aber keine derzeit ausgeübte Beschäftigung hat, wäre zunächst zu klären, auf welche Beschäftigungen sich das Verbot bezieht und welche sie noch ausüben kann.
Die Schwangere sollte vom Arzt daher ein ergänzendes Gutachten mit einem positiven oder negativen Leistungsbild erstellen lassen und dies der Arbeitsagentur vorlegen.
Bei einem positiven Leistungsbild wird ausdrücklich Arbeitsfähigkeit für bestimmte Beschäftigungen festgestellt. "Dann ist die Schwangere objektiv verfügbar und zu vermitteln, Arbeitslosengeld kann gezahlt werden", so die Auskunft aus Halle.
Attestiert der Arzt kein positives Leistungsbild, sondern nachträglich Arbeitsunfähigkeit spätestens ab Beginn des Beschäftigungsverbotes, kann weiter Arbeitslosengeld gewährt werden, jedoch nur für längstens sechs Wochen. Ob die Krankenkasse bei einem zuerst verhängten Beschäftigungsverbot die nachträglich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit anerkennt und nach den sechs Wochen Krankengeld zahlt, ist mit der Kasse zu klären.
Wenn der Arzt einer Schwangeren jedoch weder ein positives Leistungsbild noch nachträglich Arbeitsunfähigkeit spätestens ab Beginn des Beschäftigungsverbotes attestiert, ist "Leistungsgewährung für diese Fälle ausgeschlossen", wurde uns aus Halle mitgeteilt.
Zu Rechtsfolgen beraten lassen
Zudem gibt die Regionaldirektion einen eindringlichen Rat an schwangere Arbeitslose in ähnlicher Situation: Bevor es zur Ablehnung von Arbeitslosengeld wegen eines Beschäftigungsverbotes kommt, sollten sich die Frauen, eventuell auch unter Einbeziehung des Arztes, bei der Arbeitsagentur zu den eintretenden Rechtsfolgen beraten lassen.
Dazu gehört auch der Hinweis auf Beschreiten des Rechtsweges, da die Agentur für Arbeit weisungsgemäß nicht zahlen darf. Zu bedenken seien auch eventuelle Nachteile bei der Höhe des Mutterschaftsgeldes, wenn vorher kein ALG I bezogen wurde. Denn wenn das Beschäftigungsverbot trotz dieser Hinweise bestehen bleibt, kann nur noch ALG II beantragt werden.
Bei unserer Leserin hat die Frauenärztin inzwischen rückwirkend ab dem Tag des Beschäftigungsverbotes einen Krankenschein ausgestellt, damit die werdende Mutti wieder Anspruch auf ALG I hat.