Casting für das Christkind
Es ist wohl das begehrteste Ehrenamt der Stadt: Viele Mädchen wollen Nürnberger Christkind werden. Doch dafür müssen sie zunächst ein kniffliges Casting überstehen.
Nürnberg (dpa) - Christkind zu werden, ist gar nicht so einfach. Es sind zwar keine himmlischen Prüfungen, die das Nürnberger Christkind überstehen muss. Doch auch das irdische Auswahlverfahren hat es in sich.
Nach mehreren Wahlgängen muss die weihnachtliche Botschafterin der Stadt eine 15-köpfige Jury überzeugen. An diesem Mittwoch fand das Casting für das wohl begehrteste Ehrenamt der fränkischen Kommune statt - oder die wichtigste Wahl des Jahres, wie Stadtsprecher Siegfried Zelnhefer sagt.
Die typischen goldenen Locken, die Krone und das engelhafte Gewand des Christkinds sucht man diesmal vergeblich. Alle sechs Finalistinnen tragen Alltagskleidung und ihre normale Frisur. Zelnhefer betont: Wir suchen nicht das Super-Christkind. Es geht hier nicht um Show und Glamour, sondern um Herz. Natürlichkeit sei gefragt und keine Selbstinszenierung.
25 Kandidatinnen zwischen 16 und 19 Jahren hatten sich in diesem Jahr beworben. Nach einer Vorauswahl durch die Stadt wählten die Nürnberger die sechs Finalistinnen aus. Bereits seit rund 45 Jahren wird das Christkind nach diesem Prozedere bestimmt.
Ein Mädchen nach dem anderen tritt dann vor die Jury im Alten Rathaus. In dem Gremium sitzen Medienvertreter, das vorige Christkind, die Chefinnen des Markt- und des Tourismusamtes, die langjährige Betreuerin des Christkinds, Stadtsprecher Zelnhefer und Klaus Kusenberg, Schauspieldirektor des Staatstheaters. Der Ablauf ist für alle gleich: Die Kandidatinnen stellen sich vor. Dann müssen sie Fragen der Jury beantworten, den Prolog für den Christkindlesmarkt vortragen sowie ein selbst gewähltes Gedicht.
Viele der Mädchen kennen den Prolog längst auswendig, für die meisten ist es ein Kindheitstraum, Christkind zu werden. So bekommen alle den Vortrag gut hin. Und nur die wenigsten versprechen sich beim Gedicht. Kniffliger sind da schon die Fragen, die die Jury stellt. Allen voran das Christkind aus dem Vorjahr, Teresa Treuheit. Sie konfrontiert die Mädchen mit Situationen, die ihnen in der Rolle wahrscheinlich begegnen werden: Was sagst du, wenn ein Kind zu dir sagt, dass es nicht ans Christkind glaubt?, fragt Treuheit etwa. Oder: Wie gehst du auf Menschen zu, denen es nicht so gut geht, oder auf Flüchtlinge, die kein Deutsch können?
Außerdem müssen die Bewerberinnen beschreiben, was ihnen an Nürnberg und dem Christkindlesmarkt am besten gefällt. Schließlich sollen sie Stadt und Markt auch in anderen Gemeinden und im Ausland vertreten.
Manche Mädchen antworten klar und ohne viel überlegen zu müssen. Andere finden nicht auf jede Frage die passende Antwort. Und dennoch tut sich die Jury am Ende schwer. Alle Bewerberinnen waren sympathisch.
Die Jury entscheidet sich nach längerer Diskussion schließlich für die 18 Jahre alte Barbara Otto. Sie sei herzlich, offen und spontan, sagt Zelnhefer. Das seien die wichtigsten Eigenschaften für das Christkind. Die Summe ihrer Charaktereigenschaften hat uns überzeugt.
Die Abiturientin mit den langen braunen Haaren macht derzeit ein Theaterpädagogik-Praktikum am Opernhaus - bei der Kinderoper Pinocchio. Christkind zu werden - auch für sie war das ein Kindheitstraum. Das wollte ich schon machen, als ich vier oder fünf war. Den Umgang mit Kindern ist sie gewohnt: Mehrere Jahre lang spielte sie einen Engel, der den Nikolaus begleitet. Und da ihre Großeltern im Altenheim leben, sind ihr auch solche Situationen vertraut.
Die erste große Herausforderung für das neue Christkind ist nun die Eröffnung des berühmten Christkindlesmarkts am 27. November von der Empore der Frauenkirche herab. Dann muss Barbara Otto den Prolog im Schlaf können. Das sollte aber kein Problem sein. Denn schon beim Casting musste sie nur einmal auf dem Zettel spicken.