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Interview mit den Urologen Prof. Dr. Martin Schostak und Dr. med. Rainer Hein "Die Lebenserwartung wird nur geringfügig verlängert"

04.06.2013, 01:20

Magdeburg (use) l Wenn es um die Gesundheit geht, gelten Männer als Vorsorgemuffel. Sind die Vorbehalte in puncto Prostatakrebs-Früherkennung mit PSA-Tests angebracht? Uwe Seidenfaden sprach darüber mit zwei Urologen aus Magdeburg: Prof. Dr. Martin Schostak, Direktor der Urologischen Universitätsklinik Magdeburg und Dr. med. Rainer Hein, Chefarzt der Urologischen Klinik des Klinikums Magdeburg.

Volksstimme: Wann sollte ein PSA-Test zur Früherkennung von Prostata-Krebs durchgeführt werden?

Dr. Hein: Bei Männern im Alter ab 40 Jahren und mit einer mutmaßlichen Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren.

Prof. Schostak: Der Test sollte nur zusammen mit der Tastuntersuchung und nach einer detaillierten Aufklärung über mögliche Nutzen und Risiken durchgeführt werden. Zwei sehr große Studien bei über 20 0000 Männern haben gezeigt, dass die PSA-Untersuchung statistisch nur im Alter zwischen 55 und 70 Jahren einen Überlebensvorteil bedeuten kann. In Deutschland kann man den Test aber derzeit noch bereits ab 40 anbieten.

Volksstimme: Warum gibt es eine Altersobergrenze für das PSA-Screening von 75 Jahren?

Hein: Das Prostatakarzinom ist in der Regel ein langsam wachsender Tumor. Deshalb spielt bei der Erstdiagnose das Alter und die Lebenserwartung eine wesentliche Rolle hinsichtlich der therapeutischen Empfehlungen.

Schostak: Ein durchschnittlicher 75-Jähriger ohne Begleiterkrankungen hat in Deutschland eine statistische Lebenserwartung von zehn Jahren. Selbst wenn er einen Prostatakrebs mit sich trägt, resultiert daraus statistisch keine signifikante Verkürzung der Lebenserwartung.

Volksstimme: In welchen Abständen ist ein PSA-Test zu wiederholen?

Hein: Nach den gegenwärtigen ärztlichen Leitlinien sollte ein PSA-Wert von unter 2 ng/ml im zeitlichen Abstand von mindestens zwei Jahren kontrolliert werden.

Schostak: Der Zeitpunkt der nächsten PSA-Bestimmung sollte abhängig von bisherigen Werten und den individuellen Umständen des Betroffenen festgelegt werden. Es gibt keine Grenzwerte, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prostatakrebs besteht, steigt, je höher der Wert liegt.

Volksstimme: Wie zuverlässig liefert der Test verlässliche Hinweise auf einen bislang unentdeckten Prostatakrebs und dessen Aggressivität?

Schostak: PSA ist sehr empfindlich für Prostatakrebs. Das bedeutet, dass nahezu jeder vom Prostatakrebs Betroffene ein erhöhtes PSA hat. Andererseits gibt es bei drei von vier Männern mit einem erhöhtem PSA-Wert andere Gründe, ohne dass ein Prostatakrebs besteht.

Volksstimme: Unter welchen Voraussetzungen kann es sinnvoll sein, einen Prostatatumor nicht sogleich zu behandeln?

Schostak: Prinzipiell gibt zwei Möglichkeiten, nicht sofort zu handeln. Das Ignorieren der Erkrankung ohne Kontrolle. Diese Strategie ist für ältere Männer mit Begleiterkrankungen geeignet. Man behandelt nur, falls sich unerwartet Symptome einstellen. Diese Therapie ist nur darauf ausgelegt, Symptome zu lindern und nicht, die Krankheit zu heilen. Alternativ gibt es das aktive Beobachten, die "Active Surveillance". Dabei handelt es sich um eine extrem engmaschige Verlaufskontrolle, bei der sehr regelmäßige PSA-Kontrollen und Verlaufsbiopsien durchgeführt werden. Dieses Vorgehen ist nur dann geeignet, wenn der Krebs sehr wenig aggressiv ist und sich ohne besondere Dringlichkeit beobachten lässt. Sie bietet sich vor allem dann an, wenn der Betroffene keine Symptome hat und wenn die Potenz einen hohen Stellenwert einnimmt, also hauptsächlich bei jüngeren Männern.

Hein: Bei Patienten von über 75 Jahren sollte dargestellt werden, dass eine sofortige Therapie das Auftreten schmerzhaften Knochenmetastasen zeitlich verzögern kann. Die Lebenserwartung wird jedoch nur geringfügig verlängert. Die Hormontherapie ist mit wesentlichen Nebenwirkungen behaftet wie schmerzhafte Brustdrüsenschwellung, erhöhtes Osteoporoserisiko sowie die allgemeine Lustlosigkeit durch das unterdrückte männliche Hormon Testosteron.