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  7. Familien in Sachsen-Anhalt: Leben einer Großfamilie mit 6 Kindern in Magdeburg

Großfamilien In Magdeburg Wie eine Sechsfach-Mama trotz steigender Kosten für das Glück ihrer Kinder kämpft

Viele Kinder bedeuten viel Trubel – und hohe Kosten für die Familien. Unterstützung ist da, aber oft kompliziert. Zwei große Familien aus Magdeburg berichten über ihren turbulenten Alltag . Eine Vierfach-Mama sagt: „Wir müssen gucken, dass wir über die Runden kommen.“

Von Robert Gruhne Aktualisiert: 08.06.2023, 10:10
Ben, Dirk, Clara, Linda, Nadine und Pia Mewes (von links nach rechts) sowie Hund Rocco sind eine große Familie aus Magdeburg.
Ben, Dirk, Clara, Linda, Nadine und Pia Mewes (von links nach rechts) sowie Hund Rocco sind eine große Familie aus Magdeburg. Foto: Robert Gruhne

Magdeburg - Die Schule ist aus, die Sonne lacht und die Kinder der Familie Mewes sausen den engen Flur der Wohnung entlang nach draußen zum Spielen. Nach dem kurzen Durcheinander ist Ruhe und Nadine Mewes hat Zeit für ein Gespräch. Die Magdeburgerin ist Mutter von sechs Kindern.

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„Ich wollte immer viele Kinder haben“, sagt die 41-Jährige. Vier ihrer Kinder zwischen sechs und elf Jahren leben mit in der Neubauwohnung am Neustädter See. „Alles aufgeweckte Kinder“, sagt Mewes. Ihr ältester Sohn ist vor kurzem 18 Jahre alt geworden und ausgezogen. Ein weiterer Sohn lebt bei seinem Vater.

In Sachsen-Anhalt gibt es 28.000 Familien mit drei oder mehr Kindern. Die Statistik zeigt: Es gibt wieder mehr kinderreiche Familien als 2012, wohingegen der Anteil an Ein-Kind-Familien sinkt.

Nadine Mewes lebt seit 2019, als ihr Mann und sie sich trennten, allein mit den gemeinsamen vier Kindern. Jedoch wohnt der Vater in der Nähe und kümmert sich mit um die Kinder. Auch er hat zwei weitere Kinder aus einer früheren Beziehung.

Großfamilie in Magdeburg: Hohe Kosten und Ausgaben im Alltag

Den Familienalltag organisiert Mutter Nadine Mewes: „Für mich selber habe ich kaum Freizeit.“ Immerhin ist sie auch Vollzeit-Azubi. Seit 2020 macht Mewes, die jahrelang Hausfrau war, eine Ausbildung zur Erzieherin.

Die Kosten einer großen Familie sind ebenso groß. Ein Einkauf laut Mewes: mittlerweile 250 Euro. Und der reicht nicht mehr wie früher die ganze Woche. Die Wohnung: 1000 Euro. Ein Monat Ballettstunden: 40 Euro. Ein Monat Tanzkurs: 30 Euro. Und so summieren sich die Ausgaben.

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Einen großen Teil des Familieneinkommens macht das Schüler-Bafög aus, das Mewes erhält. Hinzu kommen Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss und Wohngeld. „Wir kommen gut klar. Wir haben immer Obst und Gemüse und können immer etwas unternehmen“, sagt Mewes. Auch ein Auto und Urlaub an der Ostsee kann sich die Familie leisten.

Das könnten aber nicht alle, meint Mewes: „Man muss sich erkundigen und kümmern.“ Es gebe in Deutschland genug staatliche Unterstützung für Familien, findet Mewes. Aber viele wüssten nicht, wo sie sich hinwenden sollen. Fehlende Sprachkenntnisse spielten hierbei eine Rolle. Da müsse man Angebote schaffen.

Auch Bearbeitungszeiten von Anträgen sind Mewes zufolge zu lang. Wozu die Bürokratie führe, erlebe sie in ihrer Ausbildung. „Ich arbeite in einer Grundschule. Da blutet mir jeden Tag das Herz, weil viele Kinder kein Mittagessen bekommen. Warum kann es das nicht für alle geben?“

Alltag einer Großfamilie in Magdeburg: Ex-Partner ist noch oft zu Besuch

Mittlerweile hat sich Dirk Mewes, der Vater der vier Kinder im Haushalt, mit an den Küchentisch gesetzt. Nach der Arbeit kommt der Busfahrer oft in die ehemals gemeinsame Wohnung und kümmert sich mit um die Kinder.

Dirk Mewes findet, die Gesellschaft sei noch nicht familienfreundlich genug. Die Fahrt zur Schule etwa müsste für alle kostenlos sein. „Und die Elternabende sind manchmal alle am selben Abend. Das geht für uns nicht“, sagt der Vater.

„Wir müssen gucken, dass wir über die Runden kommen.“

Katja Gröbe aus Magdeburg ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Hier hält sie ihren jüngsten Sohn.
Katja Gröbe aus Magdeburg ist alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Hier hält sie ihren jüngsten Sohn.
Robert Gruhne

Ein paar Kilometer weiter, am Kannenstieg, lebt Familie Gröbe in einem Neubaublock. Zu Hause ist an diesem Vormittag nur die alleinerziehende Katja Gröbe mit dem jüngsten Sohn. Das Baby robbt sich grinsend über eine Decke am Boden, während die Mutter auf dem Sofa Platz nimmt.

„Wir müssen gucken, dass wir über die Runden kommen“, sagt die 33-Jährige, die vier Kinder hat. Beispiel Lebensmittel: Etwa 100 Euro kann Gröbe dafür jede Woche ausgeben. Davon müssen sie und ihre Kinder satt werden. Nur früher sei der Einkaufswagen für 100 Euro voll gewesen. Seit die Preise stark gestiegen sind, ist das anders. „Man muss jeden Cent dreimal umdrehen“, sagt Gröbe.

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Die Magdeburgerin ist aktuell in Elternzeit. Ihr ältester Sohn ist 15, die Zwillinge sind elf Jahre alt und der Kleinste wird bald ein Jahr. Auch zwei Hunde wohnen mit in der Wohnung, „damit die Kinder Verantwortung lernen“, sagt Gröbe. Die Familie lebt von staatlichen Leistungen. Unterhalt zahlen die Väter Gröbe zufolge nicht. Hilfe erhält die Alleinerziehende auch von ihren Eltern und Freunden.

Als arm will sich die Magdeburgerin trotzdem nicht bezeichnen: „Wir haben ein Dach über dem Kopf und immer etwas zu essen.“ Aber viele Dinge, die für andere zum alltäglichen Leben dazu gehören, bleiben auf der Strecke. Etwa bei Geburtstagen habe die Mutter es schwer: „Meine Zwillinge wünschen sich Handys, aber das kann ich mir nicht leisten.“ In der Klasse hätten bereits alle ihre eigenen Telefone.

Leben in einer Großfamilie: Familie muss oft zurückstecken

Auch bei gemeinsamer Freizeit muss die Familie öfter zurückstecken. Zwar gibt es den Otto-City-Pass für Aktivitäten in der Stadt, aber weiter weg kann die Familie nicht reisen. „Ich war noch nie mit meinen Kindern im Urlaub“, sagt Gröbe. Zurücklegen kann sie kaum etwas. Immerhin mit dem Jugendclub konnten die mittleren Söhne vor kurzem für ein paar Tage verreisen. Die 100 Euro dafür konnte sich Gröbe „gerade so leisten“.

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Oft fällt es der Alleinerziehenden auch schwer, Anträge richtig auszufüllen. Viel Unterstützung dabei erhält sie vom Familienhaus Magdeburg. Die Einrichtung leistet Hilfe zur Erziehung für Familien. Im Familienhaus besucht einer von Gröbes Söhnen nach der Schule auch die Tagesgruppe. Ziel des Angebots ist es, Kindern Struktur zu bieten, ihnen praktische Fertigkeiten beizubringen und Freizeit sinnvoll zu gestalten.

Nach der Elternzeit wieder arbeiten 

Katja Gröbe, die keine abgeschlossene Ausbildung hat, will nach der Elternzeit im Oktober wieder arbeiten gehen. Einen Job in einer Reinigungsfirma habe sie bereits in Aussicht. Mit der Stelle habe sie dann deutlich mehr Geld zur Verfügung, sagt sie. „Von nichts kommt nichts“, lautet ihr Motto.

Ihre große Familie will Gröbe trotz der Herausforderungen nicht missen: „Ich brauche den Trubel.“ Damit es ihren Kindern gut gehe, stecke sie auch mal zurück. „Sind meine Kinder glücklich, bin ich das auch“, sagt Gröbe und verabschiedet sich.