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Wehrpflicht Bildungsminister Riedel: „Es gibt nun mal in Deutschland eine Schulpflicht“

Warum Bildungsminister Jan Riedel Schülerstreiks während der Unterrichtszeit klar ablehnt – und trotzdem politisches Engagement begrüßt.

Von Interview: Dörthe Hein 22.12.2025, 17:43
Jan Riedel: „Als Student war ich demonstrieren gegen den Abbau an den Universitäten Anfang der 2000er Jahre.“
Jan Riedel: „Als Student war ich demonstrieren gegen den Abbau an den Universitäten Anfang der 2000er Jahre.“ (Archivbild: Klaus-Dietmar Gabbert)

Magdeburg - Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Bildungsminister Jan Riedel (CDU) sind Schülerinnen und Schüler in den zurückliegenden Jahren politischer geworden.

Politisches Engagement und Meinungsbildung müssten unterstützt werden. Schulen könnten dabei helfen und seien dabei mit Geschichts- und Sozialkundeunterricht, Religion und Ethik gut aufgestellt. Aktionen wie den jüngsten Schülerstreik zur Wehrpflicht lehnt der Minister klar ab. Die Schulpflicht gehe vor, sagte er im Gespräch mit Dörthe Hein. 

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Frage: Herr Riedel, als Sie Schüler waren, sind Sie da jemals zu einer Demonstration gegangen?

Jan Riedel: Ich bin als Schüler zu keiner Demonstration gegangen.

Gab es Themen, die Sie beschäftigt haben, wo Sie zu einer Demonstration gegangen wären, wenn es denn eine gegeben hätte?

Jan Riedel: Puh, das ist jetzt auch schon wieder länger her, muss ich sagen. Ich würde sagen, ich war sicherlich nicht extrem politisiert als Schüler, sondern hatte mit typischen Teenager-Sachen zu tun in den 90er Jahren, sodass ich nicht auf die Idee gekommen bin, in der ländlichen Gegend, in der ich auch gelebt habe, demonstrieren zu gehen. Als Student war ich demonstrieren gegen den Abbau an den Universitäten Anfang der 2000er Jahre.

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Wie blicken Sie auf den jüngsten Schülerstreik, der sich gegen die Wehrpflicht gerichtet hat?

Jan Riedel: Da muss man unterscheiden. Einen Schülerstreik gibt es ja eigentlich gar nicht, wie das da definiert wird. Dass der dezidiert angesetzt wird während der Unterrichtszeit und die Schülerinnen und Schüler damit in die prekäre Situation zu bringen, sich quasi entscheiden zu müssen, gehe ich demonstrieren, was mein gutes Recht ist, und die Schulpflicht zu wahren, das halte ich für unlauter. Es gibt nun mal in Deutschland eine Schulpflicht. Da spielt man ganz bewusst mit Provokationen.

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Es wäre auch möglich gewesen, an einem Samstag oder an einem Freitag um 14.00 Uhr oder 15.00 Uhr zur Demonstration aufzurufen.

Ich kann durchaus verstehen, dass sich Jugendliche Gedanken machen über die Frage, welche Aufgaben oder Dienste werden von mir verlangt, halte ich das für fair, welche Ängste habe ich auch, das halte ich für durchaus legitim. Das darf aber nicht gegen die Schule ausgespielt werden.

Wie sehen Sie insgesamt das politische Engagement von Schülerinnen und Schülern?

Jan Riedel: Die 2010er Jahre waren durchaus prosperierende Jahre, da war kaum politischer Aufruhr in den Unterrichtsräumen. Sondern da war es sehr gefällig, das muss man schon sagen. Aber jetzt merkt man schon in den letzten fünf, sechs Jahren, dass die Schülerschaft politischer wird aufgrund auch der Weltlage.

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Das sind nicht nur klimapolitische Fragen, sondern natürlich auch der Krieg in der Ukraine, da gab es die Fragen, die mit Corona aufgeworfen wurden. Die Gesellschaft ist beunruhigt und genauso sehe ich das auch bei den Schülerinnen und Schülern. Es ist durchaus zu unterstützen, dass man sich da politisch engagiert und sich politisch eine Meinung bildet.

Wie können die Schulen darauf eingehen?

Jan Riedel: Wir sind da in Sachsen-Anhalt ganz gut aufgestellt, was Sozialkundeunterricht, Ethik, Religion und Geschichtsunterricht angeht. Deutschlandweit sind wir mit führend, was die Stundendeputate dafür betrifft.

Politische und historische Bildung spielen in Sachsen-Anhalt eine sehr große Rolle und ich glaube, da gibt es viele Gelegenheiten, nicht nur im Unterricht, sondern auch darüber hinaus, sich da zu positionieren und politisch tätig zu sein, das begrüßen wir durchaus.

Unsere ganze Gesellschaft ist ja im Moment hoch politisiert und auch aufgeregt. Und diese Aufregung spüren wir natürlich auch in den Schulen.

Unseren Kollegen kommt die Aufgabe zu, das zu ordnen, zu systematisieren, zum Nachdenken anzuregen gemäß dem Beutelsbacher Konsens nicht zu überwältigen, auf der anderen Seite aber natürlich auch zu benennen gemäß der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die alle Kollegen in unserem System zu verteidigen haben, auch zu benennen, was nicht geht, etwa wenn sie über Rassismus reden. Das ist eine große Herausforderung für unsere Lehrkräfte, aber sie sind da gut aufgestellt.

Wir bereiten derzeit auch einen Erlass vor, mit dem wir die Kolleginnen und Kollegen noch mal stärken hinsichtlich der Frage, wie können politische Dinge im Unterricht behandelt werden.

Wann darf man Politiker einladen? In welchem Rahmen können politische Foren abgehalten werden? Das soll auch bis zu den Wahlen möglich sein, um dem Rechnung zu tragen, dass Schülerinnen und Schüler einen großen Grundbedarf haben an politischer Willensbildung.

Zur Person: Jan Riedel

Jan Riedel (43) ist seit Ende Juni 2025 Bildungsminister in Sachsen-Anhalt. Zuvor war er Schulleiter des Lyonel-Feininger-Gymnasiums Halle. Seine Fächer sind Deutsch und Geschichte. 2010 war er in den Landesdienst eingetreten, wurde Lehrkraft in Wernigerode und später in Halle. Riedel stammt aus Borna in Sachsen, er ist verheiratet und hat fünf Kinder.