Fall 1: Bafög-Antrag und ALG-II-Leistungen Fiktive Berechnungen verunsichern Betroffene
Andreas Paul wird Kinderpfleger. Die schulische Ausbildung für diesen schönen Beruf begann der junge Magdeburger Ende August und beantragte dafür Schüler-Bafög.
Pflichtgemäß teilte seine Mutter das dem Jobcenter mit und erfuhr, dass die SGB-II-Behörde das komplette Bafög - obwohl noch gar nicht bewilligt - als Einkommen anrechnete und der ALG-II-Anspruch der Bedarfsgemeinschaft im Oktober entsprechend sinken werde.
"Nun kann ich gerade mal die Miete bezahlen und bin nicht in der Lage, mich und mein Kind zu ernähren", schrieb sie. Mit dem Bescheid des Bafög-Amtes sei frühestens Ende Oktober zu rechnen. Darf das denn überhaupt in voller Höhe beim ALG II angerechnet werden?
Nein. Denn nach den geltenden Bestimmungen und Urteilen ist ein zweckgebundener Anteil für ausbildungsbedingte Aufwendungen nicht zu berücksichtigen. Warum aber wurde es bei der Bedarfsgemeinschaft Paul voll angerechnet? Der Änderungsbescheid vom 15. September war nur ein vorläufiger, beschwichtigte das Jobcenter Magdeburg. Sobald die Behörde Kenntnis vom Bafög-Anspruch - oder auch von anderen Leistungen - bekomme, müsse dies berücksichtigt werden, auch wenn noch gar kein Bescheid darüber vorliege und die Betroffenen über das Geld längst noch nicht verfügen können.
Das Schüler-Bafög von An-dreas Paul wurde in voller Höhe von 216 Euro nur "fiktiv" im Berechnungsbogen erfasst. Aus "systembedingten" Gründen könnten in solchen vorläufigen Bescheiden die möglichen Absetzbeträge nicht erfasst werden. Tatsächlich hätte die Bedarfsgemeinschaft beim Oktober-ALG-II aber nicht, wie schriftlich mitgeteilt, 216 Euro weniger erhalten, denn bei der Überweisung wäre ja der zweckgebundene Anteil für ausbildungsbedingte Aufwendungen berücksichtigt worden, wurde uns versichert.
Warum Betroffene durch "fiktive" Berechnungen aber erst verunsichert werden - dazu erhielten wir keine befriedigende Auskunft. Eine endgültige Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Absetzungsbeträge sei sowieso erst nach Vorlage des Bafög-Bewilligungsbescheides möglich.
Frau Paul wollte nicht so lange warten. Sie sprach Ende September im Jobcenter wegen der Anrechnung des Schüler-Bafög für ihren Sohn Andreas vor. Im Ergebnis dessen wurde in Absprache mit dem Amt für Ausbildungsförderung "ausnahmsweise die Durchführung eines Erstattungsverfahrens abgesprochen". Das vorläufig berücksichtigte Einkommen durch Schüler-Bafög, wie mit Änderungsbescheid vom 15. September mitgeteilt, wurde nun wieder aus der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II für diese Bedarfsgemeinschaft herausgerechnet.
Mutter und Sohn Paul erhalten ab Oktober 2011 weiterhin ALG-II-Leistungen - ohne Berücksichtigung des Bafög. Erst wenn dieses wirklich bewilligt ist, wird es abzüglich der Absetzungsbeträge vom Jobcenter angerechnet. In diesem Einzelfall werden sich die Behörden untereinander um die Erstattung von Ansprüchen kümmern.