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Neue Regelsätze Bürgergeld: Was die umfangreiche Sozialreform bringt

Bürgergeld statt Hartz IV: Pünktlich zum Jahresstart soll die neue Grundsicherung fließen. Ab Mitte des Jahres sollen Arbeitslose weit besser als bisher betreut werden. Ein Überblick zeigt die Facetten der Reform.

Von Basil Wegener, dpa Aktualisiert: 12.01.2023, 13:09
Ab 1. Januar 2023 wird das neue Bürgergeld ausgezahlt.
Ab 1. Januar 2023 wird das neue Bürgergeld ausgezahlt. Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin - 18 Jahre nach dem Start von Hartz IV soll das Bürgergeld im neuen Jahr die bisherigen Regeln für Arbeitslose in Deutschland ablösen. Im November beschlossen Bundestag und Bundesrat nach langem Ringen das Gesetz, das als wichtigste Sozialreform der Ampelkoalition gilt. Ein Überblick:

Was bringt das Bürgergeld bei den Regelsätzen?

Die Sätze steigen um rund 50 Euro. Künftig soll die zu erwartende Preisentwicklung zeitnäher in die Berechnung der Grundsicherung einfließen. Für alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte gibt es ab 1. Januar 502 Euro im Monat, für zwei erwachsene Partner einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft jeweils 451 Euro. Für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre fließen 420 Euro. Kinder erhalten vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 348 Euro. Für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres werden 318 Euro gezahlt.

Was bedeutet die neue Karenzzeit?

Die Angemessenheit der Wohnung wird erst nach einer Karenzzeit von 12 Monaten geprüft. Bis dahin werden die tatsächlichen Kosten der Wohnung übernommen. Die Karenzzeit gilt nicht für Heizkosten, die von Beginn an in „angemessenem Umfang“ gewährt werden. In den ersten 12 Monaten bleibt zudem Vermögen bis zu 40.000 Euro für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft geschützt. Für jede weitere Person der Gemeinschaft erhöht sich dieser Freibetrag um jeweils 15.000 Euro. Auch diese Regelungen treten zum 1. Januar in Kraft.

Was gilt nach der Karenzzeit beim Vermögen?

Nach der Karenzzeit gilt ein Vermögensfreibetrag von 15.000 Euro für jede Person der Bedarfsgemeinschaft. Auch Rücklagen für die Altersvorsorge Selbstständiger und selbst genutztes Wohneigentum sollen besser geschützt werden.

Was soll sich bei der Vermittlung in einen Job verbessern?

Das Bürgergeld bringt das Aus für den sogenannten Vermittlungsvorrang. Bisher vermittelten Jobcenter Arbeitslose oft in Helferjobs, die diese dann nicht lange ausübten. Künftig sollen Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses stärker im Vordergrund stehen. Zudem wird der Zugang zur Förderung von Existenzgründungen vereinfacht.

Was soll sich bei den Sanktionen ändern?

Nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ hatten die Jobcenter seit 2005 unkooperative Hartz-IV-Empfänger diszipliniert, indem sie ihnen den Geldhahn zudrehten. Diese Sanktionspraxis hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im November 2019 nach jahrelanger Kritik stark eingeschränkt. Zuletzt galt ein Sanktionsmoratorium. Das wird nun aufgehoben. Deshalb sind Minderungen des Bürgergeldes ab Jahresbeginn wieder möglich, wenn Menschen ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen oder sie nicht zu Terminen erscheinen.

Welche Sanktionen soll es geben?

Werden Termine ohne wichtigen Grund versäumt, kann der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat gemindert werden. Bewirbt sich jemand absprachewidrig nicht auf einen Job oder nimmt an keinem Kurs teil, dann kann der Regelbedarf zunächst um zehn Prozent für einen Monat gemindert werden. Bei einer zweiten Pflichtverletzung greift eine Minderung um 20 Prozent für zwei Monate und in der letzten Stufe um 30 Prozent für drei Monate.

Was ändert sich mit dem Bürgergeld noch zu Jahresanfang?

Bis zu einer Bagatellgrenze von 50 Euro pro Bedarfsgemeinschaft werden keine Bescheide mit Rückforderungen von Leistungen mehr erlassen. Aufgehoben wird eine Sonderregelung, nach der ältere Leistungsberechtigte nach 12 Monaten Leistungsbezug ohne Beschäftigungsangebot nicht mehr als arbeitslos gelten. Und der Soziale Arbeitsmarkt wird entfristet: Sehr arbeitsmarktferne Menschen sollen dauerhaft eine öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung antreten können.

Was passiert mit den Freibeträgen für Erwerbstätige?

Zum 1. Juli werden die Freibeträge für alle Erwerbstätigen verbessert. Bei einem Einkommen zwischen 520 und 1000 Euro dürfen 30 Prozent davon behalten werden. Das bedeutet laut Bundesarbeitsministerium bis zu 48 Euro mehr im Geldbeutel als bisher. Junge Menschen dürfen das Einkommen aus Schüler- und Studentenjobs und aus einer beruflichen Ausbildung genauso wie das Taschengeld aus einem Bundesfreiwilligendienst oder Freiwilligen Sozialen Jahr bis zur Minijob-Grenze von derzeit 520 Euro behalten. Einkommen aus Schülerjobs in den Ferien bleibt unberücksichtigt.

Was ändert sich im Verhältnis der Jobcenter zu den Arbeitslosen?

Ein Kooperationsplan soll die formale Eingliederungsvereinbarung ersetzen. Dieser Plan soll in verständlichem Deutsch von Jobcenter-Beschäftigten und Bürgergeld-Beziehenden zusammen erarbeitet werden. Er soll keine Belehrung über mögliche Rechtsfolgen enthalten. „Der Kooperationsplan wird schrittweise bis Ende 2023 die auslaufenden Eingliederungsvereinbarungen ablösen“, heißt es aus dem Ministerium von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Wie soll Arbeitslosen mit besonderen Problemen geholfen werden?

Bürgergeld-Beziehende sollen künftig ein ganzheitliches Coaching erhalten können. Das Coaching soll es auch aufsuchend, ausbildungs- oder beschäftigungsbegleitend geben können. Es soll mehr Weiterbildungsprämien geben. Neu soll es ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro für Arbeitslose und Beschäftigte möglich sein. Zudem sollen Betroffene mehr Zeit zum Lernen bekommen können.