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Tag des Friedhofs Gegen das Vergessen: Wie und wo wir trauern können

Mit dem Tod eines geliebten Menschen beginnt der Wettlauf gegen das Vergessen: Wie klang die Stimme? Wie roch es, wenn wir zusammen waren? Mit allen Sinnen erinnern - das ist Teil des Trauerns.

Von Katja Räther, dpa Aktualisiert: 25.10.2021, 12:47
Mit allen Sinnen erinnern - das ist Teil des Trauerns.
Mit allen Sinnen erinnern - das ist Teil des Trauerns. Patrick Seeger/dpa

Berlin (dpa) – - Sein Grabmal ist als eines der antiken Weltwunder in die Geschichte eingegangen, sein Name wurde gleichbedeutend für Erinnerungsbauwerke in aller Welt: Maussolos, im vierten Jahrhundert persischer Statthalter an der türkischen Mittelmeerküste, ist auf seine Weise unvergessen.

Doch die Fertigstellung des Mausoleums von Halikarnassos (heute Bodrum) reichte für seine Ehefrau und Nachfolgerin Artemisia, die zugleich seine Schwester gewesen sein soll, nicht aus, um die Erinnerung an den geliebten Mann zu bewahren: „In einem Übermaß von Liebe“ soll sie die Asche seines Körpers in Wasser gelöst und getrunken haben, wird berichtet. Der römische Schriftsteller Valerius Maximus schrieb, sie habe dem Gatten „ein lebendiges Grab sein wollen“. Erinnerung mit allen Sinnen.

- Mit Trauerritualen: Sie sind Waffen im „Kampf gegen das Vergessen“, sagt Kunsthistoriker Dirk Pörschmann bei einem digitalen Rundgang im Kasseler Museum für Sepulkralkultur. „Sepulkralkultur“ leitet sich vom lateinischen Wort „sepulcrum“ ab - Grabstätte. Die Ausstellung macht deutlich: Dem Erfindungsreichtum von Trauernden sind seit jeher kaum Grenzen gesetzt. Aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert werden Erinnerungsstücke gezeigt, die das Haar von Verstorbenen in den Alltag gebracht haben. Geklöppelt zu kunstvollen, gerahmten Gebilden oder eingearbeitet in Schmuckstücke wie Broschen oder Anhänger. Heutzutage können Spezialisten aus der Asche eines Verstorbenen einen Diamanten herstellen, der seine Liebsten dann ein Leben lang begleitet. Das ist allerdings nur außerhalb deutscher Grenzen machbar.

- An nahen und fernen Grabstätten: Längst sind Grabstätten auch in Mitteleuropa nicht mehr an den Friedhof gebunden. Für Bestattungen gibt es viele Orte - und für Spezialanbieter ist die Verstreuung von Asche auf See oder aus dem Ballon noch längst nicht das Ende. „Fliege ins Weltall und komme als Sternschnuppe zurück“ ist da noch eine der günstigeren Möglichkeiten. Knapp 10.000 Euro soll es kosten, die eingeäscherten sterblichen Überreste auf einen Satelliten zu verfrachten, der dann bei Wiedereintritt in die Erdatmosphäre am Himmel verglüht. Für eine Viertel Million Euro wird die Aussicht angeboten, die Asche in absehbarer Zeit auf eine Reise Richtung Mars zu schicken.

- Auf Friedhöfen: Und dennoch: „Der Friedhof ist nicht tot, und auch scheintot ist er nicht“, schreibt Pörschmann als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal. Friedhöfe seien Orte der Kultur, „wie jede Oper oder jedes Theater, jedes Museum und jeder öffentliche Park“. Und genau so müssten sie auch im öffentlichen Bewusstsein verankert sein - nicht als Ort der „Entsorgung“. Starre Verordnungen und steigende Preise hätten den Gräberfeldern von Kommunen und Kirchen schwer zu schaffen gemacht – kein Wunder also, dass Menschen auf die Suche nach Alternativen gegangen sind. Nun gelte es, Innovationen auf die Friedhöfe zu bringen und sie in den alltäglichen Lebensraum einzubinden.

- Künftig mit Urnen zuhause? Ganz umgehen lässt sich die in Deutschland geltende Friedhofspflicht kaum. Sie wird in Landesgesetzen geregelt und legt fest, dass alle Überreste von Toten - ob im Sarg oder als Asche - auf einem Friedhof begraben werden müssen. Die Aufbewahrung einer Urne zuhause ist - anders als in anderen Ländern - nicht zulässig. Nur in Bremen sind Ausnahmen unter strengen Bedingungen und mit entsprechender Genehmigung möglich, Angehörige dürfen die Asche dann auch auf dem eigenen Grundstück beisetzen. In anderen Bundesländern werden Lockerungen diskutiert.

- In grünen Oasen: Am „Tag des Friedhofs“ – seit 20 Jahren jeweils am dritten Septemberwochenende begangen – wollen Deutschlands Friedhofsgärtner „natürlich erinnern“, so das aktuelle Motto. Denn Friedhöfe seien auch grüne Oasen in der Großstadt, Treffpunkte mit Kunst und Kultur für die Generationen und Zeugen der Geschichte. Lebendige Orte voller Erinnerungen.