Fehlhaltungen vermeiden Beim Krafttraining auch an die Füße denken
Wer seine Füße beim Kraftsport vernachlässigt, riskiert Fehlhaltungen und Überlastungen. Ein Sportwissenschaftler erklärt, worauf es ankommt - und wie ein Kissen das Training ergänzen kann.

Saarbrücken - Wer mit dem Kraftsport beginnt, will womöglich seine allgemeine Fitness verbessern, Rückenschmerzen den Kampf ansagen oder bestimmte Schönheitsideale erreichen. Im Fitnessstudio lassen sich sämtliche Muskeln von Nacken bis Wade trainieren. Doch wer denkt beim Krafttraining weiter - nämlich auch an die Füße?
Johannes Hell ist Sportwissenschaftler und Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Er erklärt, welche Rolle unsere Füße für den gesamten Bewegungsapparat spielen, warum wir sie beim Krafttraining stärker involvieren sollten - und wie.
Herr Hell, unterschätzen wir die Rolle unserer Füße beim Krafttraining?
Johannes Hell: Ja, die Füße werden generell häufig unterschätzt. Sie sind unser einziger Kontaktpunkt zum Boden und leiten uns viele Informationen weiter, etwa zur Stellung des Körpers und zur Beschaffenheit des Untergrunds.
Die Ausrichtung der Füße entscheidet letztlich über die Ausrichtung der gesamten Becken-Bein-Achse. Das heißt, wenn ich beispielsweise mit dem Fuß stark nach innen knicke, würden dadurch die Unterschenkel nach innen rotieren, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass so etwas wie ein X-Bein entsteht. Und das wiederum wirkt sich negativ auf die Position der Hüftgelenke und des Beckens aus und das zieht sich bis nach oben hoch zur Wirbelsäule.
Das heißt, eine Fehlstellung der Füße beim Krafttraining kann dazu führen, dass ich zum Beispiel bei Kniebeugen eine Überlastung im unteren Rücken provoziere.
Die Füße sind aber nicht nur bei Beinübungen wichtig, sondern auch, wenn ich beispielsweise Bizeps-Curls im Stehen mache. Immer wenn ich Kontakt zum Boden habe, ist es wichtig, dass eine Grundstabilität der Füße besteht. Und erst durch eine stabile Becken-Bein-Achse und Körpermitte kann ich dann auch Übungen mit den Armen durchführen, ohne dass ich mir in irgendeinem anderen Bereich des Körpers eine negative Überlastung beifüge.
Wie stelle ich denn fest, ob meine Füße bei den Kraftübungen richtig stehen?
Hell: Man merkt das selten, ohne dass man sich in irgendeiner Form beobachtet. Ideal wäre es, wenn ich ein Krafttraining mit einem Trainingspartner oder im allerbesten Fall mit einem qualifizierten Trainer durchführe, der mich bei der Bewegungsausführung beobachtet und mir direkt Rückmeldung geben kann. Ist das nicht möglich, kann man sich bei der Ausführung auch filmen oder vor einem Spiegel positionieren.
Und dann kann man zum Beispiel bei der Kniebeuge darauf achten, dass die Knie nicht stark nach innen knicken. Im besten Fall sollten die Knie als Verlängerung des Fußes über dem Fuß bleiben, sodass eine neutrale Achse durch Fuß, Knie und Hüfte verläuft.
Auch am Fuß selbst kann man Fehlhaltungen erkennen. Von hinten betrachtet sollte die Ferse senkrecht zum Boden stehen und weder nach innen noch nach außen abweichen. Manchmal zeigt sich eine verstärkte Ausprägung des Innenknöchels. Das heißt, ich knicke stark nach innen und der Innenknöchel wölbt sich nach innen durch. Das ist ein Indiz dafür, dass die Fußstabilität schlecht ist oder der Fuß nicht in seiner gewünschten Position steht.
Wenn man das Gefühl hat, in der Stabilität eine Abweichung zu haben oder wenn bereits Schmerzen an den Füßen oder Knöcheln auftreten, sollte man das auf jeden Fall ärztlich abklären lassen, am besten beim Orthopäden. Der kann eine Ganganalyse machen, sich das Fußgewölbe genauer anschauen und entsprechende Therapiemaßnahmen einleiten.
Angenommen, meine Füße sind grundsätzlich gesund: Wie integriere ich sie besser in mein Krafttraining?
Hell: Zunächst würde ich empfehlen, Krafttraining nicht mit Laufschuhen durchzuführen. Eine weiche Sohle ist zwar angenehm, provoziert aber eine zusätzliche Instabilität. Stattdessen würde ich Kraftübungen in einem stabilen Schuh machen, der fest am Fuß sitzt. Oder gerne auch barfuß beziehungsweise auf Socken, weil der Körper dann permanent mit Informationen gefüttert wird, die er verarbeiten muss und auf die er mit einer entsprechenden Bewegungsanpassung reagiert.
Und dann rate ich, die Füße mal in alle Bewegungsrichtungen durchzubewegen, zum Beispiel im Rahmen des Warm-ups. Bei manchen ist die Sprunggelenkbeweglichkeit stark eingeschränkt, der Fuß fühlt sich steif an. Dann sollte man erst einmal lockern.
Eine einfache Dehnungsübung ist etwa der Fersensitz: Ich begebe mich in einen Kniestand, lege dann meine Fußrücken möglichst flach auf den Boden und versuche mein Gesäß auf den Fersen abzusetzen. Dadurch entsteht im oberen Sprunggelenk eine relativ starke Streckung. Im Warm-up würde ich diese Übung dynamisch einige Male durchführen.
Dann kann man zu Gleichgewichtsübungen auf instabilem Untergrund übergehen, die die Muskulatur in Fuß und Unterschenkel stärken. Das geht mit professionellem Equipment wie einem Balance-Pad, man kann sich aber auch mit einem Kissen oder einer zusammengerollten Gymnastikmatte behelfen. Da stellt man sich einfach mal drauf. Der Fuß muss dann arbeiten, um die Instabilität auszugleichen.
Die Fußmuskulatur kann man auch immer mal im Alltag aktivieren, indem man Greifübungen mit den Zehen macht, etwa mit den Zehen ein kleines Handtuch zusammenrollt oder Tücher greift. Auf diese Weise trainiere ich die Fußmuskeln, was mir dann später dabei hilft, bei Krafttrainingsübungen eine ausreichende Stabilität der Füße und Sprunggelenke sicherzustellen.