Telefonforum Bluthochdruck: Die oftmals unterschätzte Gefahr
Jeder dritte Erwachsene hat Bluthochdruck. Zwei Mediziner haben beim Telefonforum erklärt, wie Betroffene damit am besten umgehen sollten. Es geht um Stressfolgen, veraltete Richtwerte und die Feinjustierung der verschriebenen Medikamente.

„Bluthochdruck - die unterschätzte Gefahr und ihre Therapiemöglichkeiten“, hieß das Thema des Telefonforums. Mit Professor Peter Mertens, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie, und Professor Maciej Pech, Direktor der Klinik für Radiologie und Strahlentherapie, beantworten zwei renommierte Experten der Universitätsmedizin Magdeburg die Fragen. Ihre Expertise war sehr gefragt, denn Bluthochdruck betrifft etwa jeden dritten Erwachsenen in Deutschland. Gerade weil er oft unbemerkt bleibt, ist er besonders gefährlich. Die interessantesten Fragen und Antworten des Leserforums:
Kommt Bluthochdruck nur bei älteren Menschen vor oder gibt es sowas auch im Kindesalter?Hoher Blutdruck ist bekanntermaßen ein Problem im Alter. Ab 65 Jahren sind nahezu zwei Drittel beider Geschlechter betroffen. Es kommt auch vor, dass junge Menschen darunter leiden. Dies bedarf dann einer intensiven Abklärung, insbesondere der Nierendurchblutung. Bei einigen Patienten gibt es anlagebedingt Einschnürungen der Nierengefäße, die mit einem Ballon entfernt werden können.
Als Jugendlicher habe ich mal in einem Krankenhaus gearbeitet. Dort hieß es, ein idealer Blutdruckwert liege bei 100 plus Alter. Ist das noch zutreffend?In den alten Lehrbüchern steht diese Regel, die lange Zeit für korrekt gehalten wurde. 100 plus Alter ist eine widerlegte Annahme für einen guten Blutdruck. Bei Werten über 140 zu 90 mm Hg, das steht für Millimeter-Quecksilbersäule, steigt die Wahrscheinlichkeit für Folgeerkrankungen an. Hierzu zählen Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenerkrankungen sowie Gefäßverkalkungen und Verengungen. Es ist daher gefährlich, an dieser alten Regel festzuhalten. Im Übrigen steigt der Blutdruck im Alter regelhaft an, daher ist im Alter ein Umdenken erforderlich. Einmal ein guter Blutdruck bedeutet nicht, dass er immer gut bleibt.
Ich habe einen sehr stressigen Job. Nachts ist mein Blutdruck sehr niedrig, tagsüber kommt er auf mehr als 140. Muss ich dagegen was tun?Sie sind ein typischer „Stressbluthochdruck-Mensch“. Für diese Erscheinung ist das autonome Nervensystem verantwortlich. Sie können versuchen, Sport zu treiben, um den Blutdruck zu senken. Yoga oder autogenes Training hilft ebenso. In der Regel gelingt die Einstellung jedoch damit nicht. Daher empfehlen wir eine medikamentöse Behandlung mit einer Zweierkombination von Medikamenten, die jeweils am Morgen eingenommen wird. Im Übrigen weisen die Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga und anderer Fachgesellschaften darauf hin, dass nicht mit einer Medikamentenklasse gestartet wird, sondern grundsätzlich zwei Medikamentenklassen kombiniert werden sollen.
Wieviel Kaffee ist gut beziehungsweise schlecht für meinen Blutdruck?Infolge des Konsums von Kaffee kommt es zu zwei gegensätzlichen Effekten. Zum einen wird der Blutdruck akut ansteigen, auf der anderen Seite fördert der Kaffee die Harnbildung. Daher wird man öfters auf Toilette gehen müssen. Grundsätzliche Regeln für eine gesunde Menge an Kaffee gibt es jedoch nicht, vor allem da Menschen sehr unterschiedlich auf den Konsum reagieren. Einige können nach der Tasse Kaffee sehr gut schlafen, andere liegen im Anschluss die gesamte Nacht wach im Bett.

Bei mir wurden deutlich erhöhte Blutdruckwerte von 180:110 festgestellt. Ich nehme jetzt dagegen Medikamente. Wie schnell sollte ich auf normale Werte kommen?Dabei muss man sich Zeit lassen. Es kann drei bis zu sechs Monate dauern, bis die Werte eingestellt sind. Wenn man es zu schnell einstellt, sind negative Symptome wie Schwindel oder Abgeschlagenheit möglich.
Ich nehme einen Beta-Blocker als einzigen Blutdrucksenker. Ist das eine gute Wahl?Bei Beta-Blockern sind viele Nebenwirkungen beschrieben wie Gewichtszunahme, depressive Stimmungsveränderungen, Haarausfall, Alpträume, Potenzstörungen und andere mehr. Daher sollte versucht werden, nebenwirkungsärmere Medikamente einzusetzen, die genauso gut den Blutdruck einstellen.
Was soll ich tun, wenn meine Nebennieren vergrößert sind, was einen hohen Blutdruck zur Folge hat?Das ist eine endokrinologische Spezialfrage. Interessanterweise sind die schwierigen Blutdruckfälle oft aufgrund einer Überfunktion der Nebennieren bedingt. Man muss in diesem Fall abklären, ob ein Nebennierenadenom vorliegt. Das ist eine Vergrößerung der Drüsen. Hierzu werden Hormone im Blut und Urin bestimmt sowie zusätzlich noch eine Bildgebung durchgeführt. Die Therapie besteht dann in einer Operation oder in einer medikamentösen Langzeitbehandlung.

Ich habe von meinem Hausarzt eine Überweisung zum Herzkatheter bekommen. Eine solche Untersuchung hatte ich schon einmal. Das war sehr unangenehm. Gibt es eine Alternative?Solche Untersuchungen können heutzutage am besten mit modernen, besonders schnellen Computer-Tomografiegeräten (CT) erfolgen wie zum Beispiel seit Januar an der Uniklinik Magdeburg. Für die Befundung gibt es speziell geschulte und zertifizierte Radiologen, um die Qualität der Aussagen zu sichern. Die eigentliche Untersuchung dauert nur einige Minuten. Zuvor sind verschiedene Laborwerte zu erheben. Die Kosten dieser Untersuchungen werden neuerdings von vielen Krankenkassen erstattet.
Ich nehme ein Medikament gegen Bluthochdruck. Auf dem Beipackzettel steht, dass man davon Rückenschmerzen bekommen kann. Das trifft bei mir offenbar auch zu. Was soll ich machen?Rückenschmerzen können viele Ursachen haben. Daher ist es wichtig, die genauen Umstände zu klären. Kontaktieren Sie ihren Hausarzt. Der wird entscheiden, ob ein alternatives Blutdruckmedikament oder eine andere Diagnostik und Behandlung sinnvoll ist.
Warum habe ich immer morgens einen so hohen Blutdruck von mehr als 160 mm Hg? Ich nehme dann vier unterschiedliche Tabletten dagegen ein. Nachmittags fällt mein Blutdruck deutlich und mir ist schwindelig. Ein hoher Blutdruck am Morgen ist nicht ungewöhnlich. Das hat mit dem täglichen Rhythmus eines jeden Menschen zu tun. Bei Ihnen ist der Wert allerdings sehr hoch. Wenn es Ihnen damit ansonsten gut geht, ist das wohl kein Grund zur Sorge. Wenn Sie vier unterschiedliche Tabletten zu sich nehmen, wäre es vielleicht ratsam, die Einnahme zu splitten. Sie können versuchen, die Dosis in morgens und abends zu teilen. Dies gilt jedoch nicht für wassertreibende Medikamente (Diuretika), da sie ansonsten nächtlich auf Toilette gehen müssten und der Schlaf unterbrochen werden würde.
Wann sollten Blutdruckmedikamente abgesetzt werden?Bei unter 100 mm Hg sollte man die Einnahme pausieren. Ein zu niedriger Blutdruck führt zu Schwindel, einer verminderten Nierendurchblutung und kann auch eine Herzattacke auslösen. Am besten sprechen Sie dann mit dem Arzt über die Anpassung der Medikation.
Nach der Corona-Impfung hatte ich Bluthochdruck bekommen und erst mit einer Dreifach-Herz-Bypass-OP wurde es besser. Wie hängt das zusammen?Der Prozess der Verengung und Verkalkung der Arterien und damit auch der Herzkranzgefäße ist in der Regel ein langandauernder. Hier können wir eher von einem zeitlichen aber nicht von einem sachlichen Zusammenhang sprechen. Die Notwendigkeit und der Erfolg der Bypass-OP erklärt eher den erhöhten Blutdruck aufgrund der von Arteriosklerose bedingten Gefäßveränderungen und nicht die direkte Reaktion auf die Impfung. Diese würde in erster Linie systemische Nebenwirkungen hervorrufen können und nicht beschränkt auf die Herzkranzgefäße. Manchmal ist es so, dass unsere Jugendsünden uns erst im Alter in Rechnung gestellt werden.
Ich habe gelesen, dass Heilextrakte den Blutdruck senken können. Kann ich mit solchen Mittel meine innere Balance finden?In klinischen Studien wurde die Wirksamkeit nicht nachgewiesen. Solche Präparate bergen das Risiko von allergischen Reaktionen und ungewollter Aktivierung des Immunsystems. In einigen Fällen kam es sogar zu akuten Nierenschädigungen. Daher empfehlen wir es nicht.
Hilft die sogenannte Abnehm-Spritze, von der jetzt überall geredet wird, auch gegen hohen Blutdruck?Es besteht tatsächlich ein enger Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und dem Blutdruck. Nimmt man ein Kilogramm an Gewicht ab, so kann der Blutdruck um bis zu zwei mm Hg abfallen. So gesehen, sollten bei deutlicher Gewichtsabnahme die Medikamente überprüft werden. Grundsätzlich sollte eine solche Anwendung aber nicht ohne Aufsicht eines Arztes erfolgen.
Wenn ich meinen Blutdruck messe, habe ich oft hohe Werte. Nach einer autogenen Übung fällt der Wert ab. Soll ich meine Medikamente umstellen?Aufgrund von Einzelwerten ist dies schwer zu entscheiden. Zudem kann allein infolge der Eigenmessung der Blutdruck schon ansteigen, denn es erfordert eine gewisse Konzentration auf den Vorgang. Meine Empfehlung ist eine automatisierte 24-Stunden-Blutdruckmessung. Auf dieser Grundlage kann über die Medikation entschieden werden.
Ich bin 87 Jahre und soweit fit. Meinen Blutdruck messe ich regelmäßig einmal in der Woche. Die Werte liegen zwischen 150/52 und 160/63 mm Hg. Ist das gefährlich?Der niedrige untere Wert, die Diastole, ist entweder aufgrund der Schädigung einer Herzklappe (der Aortaklappe) bedingt, oder er kommt von einer altersbedingte Versteifung der Arterie. Diese wird auch als Mediasklerose bezeichnet. Gefährlich wird es, wenn man zu wenig trinkt oder eine wassertreibende Tablette einnimmt, da unter diesen Umständen der Blutdruck stark abfallen kann. Daher ist es wichtig, den Mitteldruck zu beachten, der sich aus einer Kombination von Systole und Diastole errechnen lässt. Ansonsten ist es in Ihrem Alter kein Grund zur Sorge.
Ich nehme vier verschiedene Tabletten gegen Bluthochdruck ein. Trotzdem sinkt der Wert nicht. Gibt es andere Möglichkeiten?Es gibt eine moderne katheterbasierte Therapie, um die Nierengefäßnerven zu unterbrechen. Kontrollierte Studien zeigten im Langzeitverlauf eine dauerhafte Senkung des Blutdrucks um bis zu 20 mm Hg. Hierzu ist eine einmalige Vorstellung in der Radiologie notwendig. Der Ablauf ist ähnlich einer Herzkatheteruntersuchung mit lokaler Betäubung und dauert etwa 30 Minuten. Das Verfahren heißt „renale Denervation“ oder „Nierenarterien-Denervierung“.
Christian Wohlt notierte die Fragen und Antworten.