Radfahren Gravel-Bikes mischen den Markt auf
Mit E-Bikes tritt der sportliche Aspekt beim Radfahren eher in den Hintergrund. Nun sorgen die Gravel-Bikes für einen gegenteiliger Trend.
Halberstadt (idg) l Ein Rennrad für die Straße, ein Mountainbike im Gelände und ein Citybike für den Stadtverkehr? Gravelbykes versprechen ein Ende dieser Dreiteilung. Das Fachportal velomotion.de widmet seine Februarausgabe ganz den neuen Trendrädern. Mehrere aktuelle Gravel-Bikes aller relevanten Hersteller wurden ausgiebig getestet und untersucht. Dabei wurde deutlich: Die Hersteller bieten eine überraschende Vielfalt über alle Preisklassen hinweg – und das ganz ohne Motor.
Rennrad einmal anders: Wer hätte gedacht, dass die leichten Räder mit dem gebogenen Bügel noch einmal die ganz Branche elektrisieren würden? Zahlreiche Radbegeisterte haben das Thema natürlich schon länger auf dem Schirm – vom Cyclocross-Boom, der vor gut zehn Jahren einsetzte, über das Aufkommen von Einfach-Antrieben und Tubeless-Reifen bis hin zu den ersten Offroad-Tourenrennern, die 2015 vielfach noch als kurzlebiger Trend galten. Dass sich das Gravel-Bike eine so wichtige Position erarbeiten konnte, überraschte dennoch viele Branchenkenner – gerade angesichts des anhaltenden E-Bike-Booms, der eine Fahrradgattung nach der anderen überrollt.
Wobei beides zusammenhängen könnte. „Beim E-Bike erleben wir, dass angesichts der Motorunterstützung viele Aspekte traditioneller Fahrradtechnik in den Hintergrund treten – etwa Rollwiderstand, Sitzergonomie und Übersetzungsumfang“, so Branchenkenner und Velomotion-Gründer Marcus Degen. „Das Gravel-Bike bringt in scharfem Kontrast dazu all diese Aspekte nach vorne.“
Das bestätigt auch Testleiter Michael Faiß. „Von der Bandbreite an unterschiedlichen Rädern und Konzepten in unserem Testfeld waren wir wirklich überrascht“, ist sein Fazit aus zahllosen Testfahrten mit mehr als 30 Modellen. „Die Gattung Gravel hat heute viele Varianten, was den Einsatzzweck angeht – und damit Sitzhaltung, Schaltung und Laufräder.“ Nur eines ist Faiß zufolge mittlerweile passé: „Einfach ein Cross-Rad als Gravel-Bike ,umzulabeln‘, das gibt es quasi nicht mehr – und vor zwei Jahren war es noch der Normalfall.“
Was macht also den Reiz der geländegängigen Rennräder aus? Spannend ist bereits, dass die Scheibenbremsen den Rennlenker aus der Versenkung holen konnten. Der mit diversen Griffpositionen gesegnete Bügel ist mit neuen Formen noch vielseitiger geworden und kann nun im Sport ebenso wie auf Touren und im Alltag eingesetzt werden – und für jeden dieser Einsatzzwecke gibt es Spezialisten. Das Scott Addict ist von der Geometrie her noch relativ nah am klassischen Crossrad; ein Bulls Grinder 3 stellt eine Art „Rennrad Plus“ für den Wechsel zwischen Asphalt und Naturwegen dar. Das Fuji Jari wiederum ist in Sachen Übersetzung, Laufradgröße und Detailausstattung auf lange Offroad-Touren im Bikepacking-Modus ausgelegt.
„Es gibt kaum eine Nutzungsart, für die sich ein Gravel-Bike nicht anbietet“, resümiert Testleiter Faiß. Und so ist es kein Wunder, dass die junge Gattung die Branche ordentlich ankurbelt. So legte Komponenten-Riese Shimano Ende 2018 nach langem Stillhalten die GRX-Gruppe vor, mit einem oder zwei Kettenblättern und speziellen Übersetzungen eigens an Gravel-Bikes angepasst. „Das hat der Sache noch einmal Schub gegeben“, berichtet Velomotion-Redakteur Christian Ettl. „Zahlreiche Hersteller verbauen nun einzelne Komponenten oder gleich die ganze Gruppe.“
Noch ein anderer Aspekt begeistert selbst Rennrad-Spezialisten wie den Ex-Radprofi Florian Nowak: „Praktisch an alle Modelle lassen sich Schutzbleche und ein Gepäckträger montieren. Sportlicher Einsatz und Alltagsnutzung schließen sich damit nicht mehr aus.“ Oder, wie es Nowak – der als Tester alle Räder intensiv Probe fuhr – treffend formulierte: „Gravel-Bikes bedeuten Freiheit, Spaß und Vollgas – und das zu jeder Jahreszeit.