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Fall 1: Unterstützung für Zwillingseltern Junge Familie kann nun umziehen

Von Gudrun Oelze 14.06.2011, 04:38

Silvio Backhaus hat seit einigen Wochen wieder eine sozialversicherungspflichtige Arbeit als Umzugshelfer und Kraftfahrer. Während der Magdeburger jobbt und damit die Hilfebedürftigkeit seiner Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft mindert, sorgt er sich jedoch um Frau und Kinder - Zwillinge im Alter von rund einem Jahr - daheim. Denn seine Lebensgefährtin habe gesundheitliche Probleme, "der normale Alltag mit den Kindern und dem Haushalt fällt ihr nicht gerade sehr leicht".

Bisher habe er ihr viel abgenommen, doch seit seiner Arbeitsaufnahme sei sie die meiste Zeit allein. Die Großeltern der Zwillinge würden gern helfen, wohnen aber in einem anderen Stadtteil und könnten nicht jederzeit zur Stelle sein, wenn Hilfe benötigt wird, schrieb er in einem Brief an die Volksstimme-Redaktion Leseranwalt.

Hilfe sei schon allein dann nötig, wenn die Zwillingsmutter mit ihren Kindern das Haus verlassen möchte - zum Spazierengehen, zum Kinderarzt, zum Einkaufen oder zu Behördengängen. Denn die Familie von Silvio Backhaus wohnt am Neustädter See in einem Haus mit Hochparterre, in dem vom Fahrstuhl bis zur Haustür noch einige Stufen zu bewältigen sind. "Das schafft meine Lebensgefährtin mit dem Zwillingswagen nicht", schrieb der besorgte Familienvater. Unten im Hausflur darf der Wagen wegen der Brandschutzverordnung nicht stehen bleiben, sondern muss also nach jeder Ausfahrt wieder mit in die Wohnung in der 5. Etage genommen werden.

"Aus diesem Grund haben wir beim Jobcenter einen Umzug beantragt, der aber abgelehnt wurde. Man sagte uns, dass man die Nachbarn um Hilfe bitten könne, um das Haus verlassen zu können. Außerdem wurde geäußert, dass unsere Kinder ja ein Jahr alt sind und schon laufen könnten oder es bald tun werden." Die beiden als Frühchen zur Welt gekommenen Kinder hängen mit ihrer Entwicklung aber anderen Gleichaltrigen hinterher... Ein Umzug sei unter anderem nur dann erforderlich, wenn "dringende familiäre bzw. gesundheitliche Gründe" dafür sprechen würden. "Dass der Zwillingskinderwagen ab dem Fahrstuhl bis zur Haustür von Ihrer Partnerin aufgrund der Stufen nicht bewegt werden kann", genügte dem Jobcenter nicht als Begründung. Immerhin sei diese Wohnung von der Familie bezogen worden, als die Kinder bereits geboren waren und der Vater damals "nicht davon ausgehen konnte, über einen lang andauernden Zeitraum arbeitsuchend zu sein".

Nach Abwägung "aller Besonderheiten des Einzelfalls und des Interesses der Allgemeinheit" wurde die Zustimmung zum Wohnungswechsel also verweigert.

Silvio Backhaus hoffte daraufhin auf Unterstützung durch unsere Redaktion Leseranwalt. Wir gaben bei der SGB-II-Behörde unter anderem zu bedenken, dass diese Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft den Umzug ja nur deshalb wünsche, weil der Mann wieder arbeiten gehe, um die Hilfebedürftigkeit der Familie zu verringern.

Schon rund zwei Wochen später meldete sich Silvio Backhaus erneut bei der Volksstimme und teilte freudig mit, dass dem Umzug jetzt zugestimmt worden sei. Während er dem Jobcenter der Landeshauptstadt Magdeburg ursprünglich nur einen Grund benannte, der leistungsrechtlich keine Notwendigkeit zur Zustimmung zu einem Wohnungswechsel begründete, habe er gegenüber der Volksstimme ausführlicher dargelegt, in welcher Situation sich seine Familie befinde, hieß es nun behördlicherseits. "Diese Gründe sind nachvollziehbar und rechtfertigen einen Wohnungswechsel", teilte man ihm jetzt mit.

So werden bei den Backhaus\' in Magdeburg Nord nun die Umzugskisten gepackt. Die Familie wird demnächst in eine 80 Quadratmeter große Fünf-Raum-Wohnung in der Nähe der Großeltern ziehen, die hinsichtlich der Mietkosten den Angemessenheitswerten der Unterkunftsrichtlinie der Landeshauptstadt Magdeburg für einen Vier-Personenhaushalt entspricht.