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Operation nicht immer notwendig / Physio- oder Elektrotherapie in vielen Fällen ausreichend Kalkschulter wird oft spät erkannt

28.02.2013, 01:16

Schmerzen in der Schulter bei den kleinsten Bewegungen - dahinter können Kalkablagerungen im Gewebe rund um das Gelenk stecken. In den meisten Fällen lassen sich solche Beschwerden gut ohne Operation behandeln.

Heidelberg (dpa) l Den Pullover über den Kopf ziehen - das kann für Patienten mit einer Kalkschulter zur Qual werden. Ihre Leidenspalette reicht von gelegentlichen Schmerzen bei ganz bestimmten Bewegungen über Schmerz in Ruhe und schlaflose Nächte bis zu heftigen Schmerzattacken. Rechtzeitig erkannt, lässt sich eine Kalkschulter jedoch einfach und wirkungsvoll behandeln.

Das Schultergelenk ist eines der kompliziertesten Körperteile des Menschen. Es wird von zahlreichen Muskeln und ihren Sehnenansätzen geführt und stabilisiert. Um die vielfältige Beweglichkeit des Gelenks zu ermöglichen, benötigen sie Platz. Er ist aber nur sehr begrenzt vorhanden, vor allem an der sogenannten Rotatorenmanschette. "Diese Muskelgruppe verläuft ziemlich eng zwischen zwei knöchernen Strukturen, dem Schulterdach und dem Oberarmknochenkopf, und wird dadurch bei vielen Bewegungen eingeklemmt", erklärt Prof. Markus Loew, Facharzt für Orthopädie an der Atos-Klinik in Heidelberg. Die Enge könne die Durchblutung behindern, wodurch sich Kalk ablagere. Dieser könne zu Schmerzen führen und die Bewegung beeinträchtigen.

Eine Kalkschulter entwickelt sich in mehreren Phasen. Zunächst wandelt sich das Gewebe der Sehne in Faserknorpel um. Davon merkt der Patient meist nichts. Erst wenn der Körper Kalk in das absterbende Faserknorpelgewebe ablagert und diese Ablagerungen eine bestimmte Größe erreicht haben, treten Schmerzen auf. Sie betreffen je nach Lage des Kalkes erst nur einzelne Bewegungen: Man spürt etwa bei Über-Kopf-Arbeiten oder beim Tennis-Aufschlag einen stechenden Schmerz. Am häufigsten sind laut Loew Menschen zwischen 30 und 50 Jahren betroffen, Frauen öfter als Männer.

Mancher Patient versucht, seine Beschwerden mit einem entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikament loszuwerden. Salben können zielgerichtet wirken, sind jedoch gerade an der Schulter nur schwer punktgenau aufzutragen. "Tabletten lassen sich deutlich einfacher einnehmen, wirken jedoch auf den ganzen Körper", erklärt Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung der Apothekerverbände in Berlin. Sie verweist darauf, dass manche Wirkstoffe leicht den Magen reizen. "Generell sollten Schmerzmittel nicht länger als drei Tage am Stück und nicht häufiger als zehnmal im Monat ohne ärztlichen Rat eingenommen werden."

Solange der Schmerz wieder verschwindet, sehen viele Patienten nach Loews Beobachtung noch keinen Anlass für einen Arztbesuch. Das ändert sich meist, wenn die Ablagerung weiter wächst und sich die Belastungen auf die nun eingeengte Stelle wiederholen. Die Sehne wird gereizt, es entstehen meist schmerzhafte Entzündungen des Schleimbeutels, eines Puffers über der Sehne. "Patienten beschreiben die Schmerzen als dumpf, bohrend und vor allem bei Nacht störend", sagt Loew, der von 2003 bis 2009 Präsident der deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie war.

In diesem Stadium kann der Mediziner die Kalkschulter leicht und eindeutig erkennen. Er fragt den Patient, wann und wo welche Schmerzen auftreten und begutachtet die Funktionsfähigkeit von Schulter und Halswirbelsäule: Kann der Patient den Arm heben und in alle Richtungen gut drehen? Oder gibt es Bewegungseinschränkungen? Mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall lässt sich die Kalkablagerung sichtbar machen und damit die Kalkschulter von ähnlichen Krankheitsbildern abgrenzen. "Eine ergänzende Röntgenaufnahme ist gar nicht immer notwendig", sagt Gerret Hochholz, Schulterexperte am Orthopaedicum in Frankfurt am Main.

Pendelübungen mit der Wasserflasche empfohlen

Die Symptome werden dann mit Schmerzmitteln behandelt. Außerdem wird versucht, die Durchblutung beispielsweise durch Physio- oder Elektrotherapie anzuregen. Das soll den Abtransport des Kalkes befördern und die Beweglichkeit wieder herstellen. "Ich empfehle Patienten ergänzend Pendelübungen: Nehmen Sie eine volle Wasserflasche, lassen Sie den Arm hängen und pendeln in gleichmäßig nach vorne und nach hinten", erläutert Hochholz. Bewegungen, bei denen Druck auf den Oberarmkopf ausgeübt wird - etwa das Abstützen des Armes auf den Tisch -, sollten hingegen vermieden werden.

Die Verkalkungen können auch operativ entfernt werden. "Das ist das Verfahren mit der höchsten Sicherheit und Erfolgschance, aber auch mit dem höchsten Komplikationsrisiko", urteilt Loew. Eine Operation will deshalb wohl überlegt sein. Hinzu kommt: Die Erkrankung kann in jedem Stadium zum Stillstand kommen oder abheilen. "Deshalb sollte nicht vorschnell operiert, sondern immer erst etwa drei Monate lang konservativ therapiert werden", rät Hochholz. "Nur wenn man dann sieht, dass alle Behandlungsmethoden keine Veränderung bringen oder wenn der Kalkherd größer als ein Zentimeter ist, ist eine Operation angesagt."

Wird eine Kalkschulter nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, kann sie zu dramatischen Schmerzen führen. Irgendwann interpretiert der Körper nämlich die Verkalkungen als Fremdkörper, wehrt sich gegen sie und baut sie ab. "In dieser Phase kann man die Schulter drei bis fünf Tage ruhigstellen und Schmerzmittel verabreichen", erklärt Loew. Den Patienten helfe es meist zu wissen, dass die Schulter nach diesem akuten Prozess wieder völlig in Ordnung sein wird.