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In diesem Jahr ist "Fluenz" im Ausschreibungsverfahren nicht berücksichtigt worden Nasalen Kinder-Impfstoff zahlt Kasse nicht

28.09.2012, 01:17

Der neue Impfstoff Fluenz für Kinder gegen eine Grippe-Infektion ist auf dem Markt. Der wird allerdings von den Krankenkassen nicht bezahlt. Warum nicht? Cordula Riek geht der Frage nach.

Magdeburg (rgm/dapd) l "Das ist eine riesige Sauerei", macht sich eine Mutter aus Magdeburg am Volksstimme-Ratgebertelefon Luft. "Mein Kinderarzt hat mit gesagt, dass man meine Tochter nicht mehr durch eine Spritze gegen Grippe impfen müsste, die ja schmerzhaft ist. Es gibt jetzt den Impfstoff Fluenz, der den Kindern schmerzfrei durch die Nase verabreicht werden kann. Die Kosten für diese Impfung übernehmen die Krankenkassen allerdings nicht. Warum erspart man unseren Kindern nicht den Pieks, die Krankenkassen haben doch Milliarden Euro Überschüsse erzielt?"

"Der neue Kinderimpfstoff birgt Gefahren für alte und kranke Menschen."

Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt. "Die Versorgung mit Grippeimpfstoffen erfolgt auch in der diesjährigen Impfsaison auf der Grundlage eines Ausschreibungsverfahrens der sachsen-anhaltischen Krankenkassen", so Ursula Günther von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt zur Volksstimme. "Im Ergebnis sind ausschließlich zwei Apotheken in Sachsen-Anhalt berechtigt, die Arztpraxen in unserem Bundesland mit Grippe-Impfstoffen zu versorgen. Das sind: Afluria ohne Wirkverstärker (formaldehydfrei) für alle Personen ab fünf Jahre ohne obere Altersbegrenzung; Influvac ohne Wirkverstärker für Kinder unter fünf Jahre und das Fluad mit Wirkverstärker (adjuvantiert), nur für Personen ab dem 65. Lebensjahr, so weit medizinisch begründet (Personen mit einem erhöhten Risiko für damit verbundene Komplikationen). Der nasal applizierbare Grippeimpfstoff Fluenz kann aus den eben genannten Gründen in der diesjährigen Impfsaison von den Vertragsärzten zu Lasten der sachsen-anhaltischen Krankenkassen nicht verordnet werden", so Ursula Günther.

Das bestätigt auch die AOK Sachsen-Anhalt. "Die Versorgung der niedergelassenen Ärzte mit saisonalen Grippe-impfstoffen zur Durchführung der Schutzimpfungen ist für alle gesetzlichen Krankenkassen in Sachsen-Anhalt einheitlich geregelt", so deren Pressesprecher Andreas Arnsfeld gegenüber der Volksstimme. "Die in Sachsen-Anhalt für Haus- und Fachärzte und damit auch für Kinderärzte zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind langjährig erprobt und erfüllen alle Vorausetzungen. Sie werden entsprechend den gültigen Vereinbarungen zwischen Kassen und Kassenärzten für die aktuelle Impfsaison verwendet", erklärt Andreas Arnsfeld.

Auf weitere Aspekte macht Thomas Schmid aufmerksam, Pressesprecher der Barmer GEK Mitte: "Der neue Impfstoff Fluenz ist für Kinder zugelassen, für Erwachsene nicht. Bei diesem nasalen Impfstoff handelt es sich um einen Lebend-Impfstoff. Kinder, die Fluenz bekommen haben, dürfen danach nicht in die Nähe von geschwächten älteren Menschen kommen." Die Viren, die sich nach einer Impfung in der Nase der Mädchen und Jungen befinden, könnten übertragen werden, beispielsweise durch das Niesen. Das könne für kranke oder geschwächte Senioren "sehr gefährlich" werden. Aber Thomas Schmid sagt auch: "Fluenz ist doppelt so teuer wie der herkömmliche Impfstoff."

"Niemand muss in Sachsen-Anhalt Angst haben, dass er nicht geimpft werden kann."

Stehen denn von den alten und bewährten Impfstoffen für Kinder und Erwachsene ausreichende Mengen in Sachsen-Anhalt zur Verfügung? "Ganz eindeutig ja", so Thomas Schmid. "Niemand muss Angst haben, dass er nicht geimpft werden kann. Außerdem: Wenn man nur zur Grippeschutzimpfung geht, muss man auch keine Praxisgebühr bezahlen", so der Barmer-GEK-Presseprecher. "Damit gibt es keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen."

Und eine Schutzimpfung gegen Grippe wird nach wie vor empfohlen. Die Stärke einer Grippewelle kann niemand vorhersagen und sie wirkt sich typischerweise in verschiedenen Regionen, Risiko- oder Altersgruppen unterschiedlich aus. Selbst bei einer moderaten Grippewelle wie die der zurückliegenden Saison 2011/12, kann das individuelle Risiko für eine schwere Erkrankung hoch sein. "Generell sollten chronisch Kranke, Ältere über 60 Jahre, Schwangere und das Medizinpersonal vor jeder Grippesaison zur Grippeschutzimpfung gehen, bevorzugt im Oktober oder November", betont Reinhard Burger, Präsident des Rober- Koch-Instituts.

Allerdings kann es auch bei jüngeren, gesunden Erwachsenen und bei Kindern und Jugendlichen zu schweren Grippeerkrankungen mit lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Deshalb ist auch für sie eine Impfung unbedingt empfehlenswert.

Grippewellen können bekanntlich sehr unterschiedlich verlaufen. So stellt die Zahl der 2,1 Millionen geschätzten Influenza-bedingten Arztbesuche für die Saison 2011/12 den niedrigsten Wert in den vergangenen acht Jahren dar. Dagegen ist die Schätzung der Influenza-bedingten Krankenhauseinweisungen mit 7400 etwas höher als in früheren moderaten Saisons. Die Welle hatte relativ spät begonnen, das heißt, erst Mitte Februar 2012. In etwa 1,1 Millionen Fällen waren Menschen in der Saison 2011/2012 wegen einer Grippe arbeitsunfähig.

Der Grippe-Impfstoff wird jedes Jahr an die aktuell zirkulierenden Influenza-Viren angepasst, um vor jeder Grippesaison einen optimalen Impfschutz zu erzielen. Für die bevorstehende Grippesaison hat die Weltgesundheitsorganisation zwei neue Virusstämme für den Impfstoff empfohlen. Nach der Impfung ist der Impfschutz in 10 bis 14 Tagen aufgebaut.