Vor dem Tragen einer Zahnspange ist eine ausführliche Beratung das A und O des Erfolgs Noch als Erwachsener Zähne korrigieren
Manchen Erwachsenen vergeht das Lachen - weil sie beispielsweise schiefe Zähne haben. Aber die sind nicht nur ein optisches Problem. Aber es gibt Hilfe.
Bremervörde/Köln (dapd) l Gestell, Draht und kleine Blöcke, die auf den Zähnen kleben - wer an Zahnspangen denkt, dem fallen wohl als Erstes Kinder und Teenager ein. Aber seit die Spangen unauffälliger geworden sind, entscheiden sich auch mehr Erwachsene für eine Zahnkorrektur. Selbst bei ihnen können sich Zähne noch drehen, verschieben, wandern und ausfallen. So entstehen auch mal unschöne Lücken oder ein Engstand der Zähne verstärkt sich.
Es kann also gute Gründe geben, auch als Erwachsener über eine Zahnspange nachzudenken. "Die Erfahrung zeigt, dass die Altersgruppe zwischen 35 und 45 sehr gesundheitsbewusst ist und vermehrt nach kieferorthopädischen Behandlungsmöglichkeiten fragt", sagt die Bremervörder Kieferorthopädin Gundi Mindermann, Vorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden (BDK).
"Die Umstellungen der Zähne sind aufwändiger und oft auch schwieriger als bei Jugendlichen."
"Selbstverständlich soll dann auch das Lächeln schöner werden." Einige Patienten kämen aus rein ästhetischen Gründen. "Aber den meisten geht es um den Zusammenhang von Funktion, Zahnfehlstellung, Parodontose, Kariesprophylaxe und Verbesserung der Grundlagen für eine prothetische Versorgung." Für eine Zahnkorrektur gibt es keine Altersgrenze. Einzige Voraussetzung ist ein gut gepflegtes Gebiss. "Meine älteste Patientin war fast 80, hatte nur noch die unteren sechs Frontzähne und ein neuer Zahnersatz war geplant", sagt Mindermann. "Ihre eigenen Zähne wurden korrekt aufgestellt, die Eckzähne achsengerecht aufgerichtet und so konnte der neue Zahnersatz entsprechend besser gearbeitet werden."
Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) hat 2010 eine große Studie über Kieferorthopädische Behandlungen vorgelegt. Gregor Bornes von der Kompetenzstelle Zahngesundheit der Unabhängigen Patientenberatung in Köln hält zwei Ergebnisse für wichtig, die in die Entscheidung für oder gegen eine Zahnspange einbezogen werden sollten. "Zum einen gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Kieferorthopädie dazu führt, dass die Zähne länger halten oder man mit gerade stehenden Zähne besser kauen kann", sagt Bornes.
"Mit einer Zahnspange greift man in der Regel in ein funktionierendes System ein und kann die Folgen vorher nicht genau abschätzen." Es komme zum Beispiel vor, dass Erwachsene nach der Zahnspange mit dem Knirschen beginnen oder sich nur noch mit ihren Zähnen beschäftigen.
Zum Zweiten wisse man laut Bornes quasi nichts über die Nebenwirkungen einer Zahnkorrektur bei Erwachsenen. "Wenn man einen Zahn bewegen möchte, wird eine kontrollierte Entzündung produziert", erklärt Bornes. Durch die Spange werde auf den Zahn in der Zahntasche Druck und Zug ausgeübt. Dort, wo Druck entstehe, baue sich der Knochen ab und dort, wo die Zugkraft der Spange wirke, werde Knochen aufgebaut. Auf diese Weise bewege sich der Zahn zwar in die gewünschte Richtung. "Aber die Entzündung, die dabei entsteht, kann beispielsweise auf die Zahnwurzel übergehen und dazu führen, dass sie sich abbaut", warnt Bornes vor der sogenannten Wurzelresorption, über deren Ursachen wenig bekannt sei. "Die Umstellungen der Zähne sind aufwändiger und aufgrund der unterschiedlichen knöchernen Reaktion oft auch schwieriger als bei Jugendlichen", sagt auch Mindermann. "Aber Wurzelverkürzungen können sowohl im Jugend- wie im Erwachsenenalter auftreten."
"Fundierte Diagnostik ist für Patienten die Grundlage seiner Behandlungsentscheidung."
Außerdem weist die Kieferorthopädin Gundi Mindermann auf die positiven Aspekte einer Spangenbehandlung hin: "Wenn gekippte Zähne aufgerichtet werden, entstehen weniger riskante Zahnfleischtaschen und wenn Zähne, die nur noch wenig im Knochen stehen, in diesen wieder hineinbewegt werden, bieten sie besseren Halt für eine lange Kaubelastung."
Bornes empfiehlt: "Fragen Sie Ihren Kieferorthopäden auf jeden Fall nach den Risiken und Nebenwirkungen und behalten Sie im Hinterkopf, dass die Zahnkorrektur ein starker Markt ist." Denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die meist ein bis zweijährige Behandlung in Höhe von mehreren Tausend Euro nicht, wenn der Patient bei Beginn über 18 Jahre alt ist. Es sei denn, es ist eine kombinierte chirurgisch-kieferorthopädische Behandlung oder sie ist nach einem Unfall nötig. Auch wenn Kieferorthopäden sagten, eine Korrektur sei medizinisch notwendig, sollte man sich eine zweite Meinung holen, rät Bornes.
Eine ausführliche Beratung hält auch Mindermann für notwendig. "Eine fundierte Diagnostik ist für den Patienten die Grundlage seiner Behandlungsentscheidung", sagt die Kieferorthopädin. Der Arzt sollte in einem Beratungsgespräch auf die Intensität der Fehlstellung eingehen, auf die Wurzelresorption hinweisen und individuell auf den Patienten bezogen einschätzen, ob die Zahnspange wirklich die richtige Entscheidung ist.