Auch geänderter Bewertungsmaßstab schafft keine vollständige Transparenz Pflegenoten beschönigen Heim-Qualität
Der sogenannte Pflege-TüV wird reformiert, um einen besseren Vergleich zwischen den Heimen zu ermöglichen. Dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen gehen die Neuerungen nicht weit genug.
Magdeburg l Nach 82 Kriterien wird die Qualität eines Pflegeheim derzeit benotet. Kassen und Anbieter haben sich darauf geeinigt, die Ergebnisse in den 21 zentralsten Punkten im Internet besonders hervorzuheben, wie in der Vorwoche bekannt wurde. Darunter sind Fragen zum Wundliegen, zur Flüssigkeitsversorgung und zu freiheitseinschränkenden Maßnahmen. Die Krankenkassen aber scheiterten mit ihrer Forderung, dass diese Kriterien bei der Benotung eines Heims stärker gewichtet werden.
Das Kontrollorgan ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Dessen Chef in Sachsen-Anhalt, Volker Reboldt, erklärt: "Die Reform des Pflege-TüVs ist ein Schritt in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug." Die Pflegenoten für die Heime schwankten in der Regel zwischen 1,1 und 1,9 - also in einer geringen Breite.
"Wir hätten die Möglichkeit einer größeren Spreizung der Noten gewünscht", sagt Rehboldt. Dazu müssten Kernkriterien, wie Qualität in der Pflege und Hygiene stärker gewichtet werden. Das sei aber nicht der Fall. "Die eigentliche Pflegequalität ist nur ein Punkt von vielen, wie das Ausflugsprogramm, dadurch verwischen sich die Ergebnisse", kritisiert der MDK-Geschäftsführer. So würde wohl aus manch sehr guter Note nur noch eine gute werden, aber größere Differenzen seien kaum zu erwarten.
Immerhin lobt Rehboldt den erreichten Stand der Pflege in Sachsen-Anhalt: "Wir haben ein sehr ordentliches Niveau in den Heimen." Was an Informationen möglich ist, bieten die Noten und Transparenzberichte im Internet (siehe Kasten). Doch werden die 82 Kriterien in einzelnen Gruppen zusammengefasst. Mehr Klarheit werden auch die aktuellen Änderungen beim Pflege-TüV nicht bringen.
Annett Lazay ist erfahrene Pflege-Praktikerin. Sie leitet den Heimverbund Burghof in Schönebeck. Der Verbund, zur Diakonie gehörend, umfasst drei Pflegeheime in Schönebeck und eines in Wahlitz mit insgesamt 189 Betten, 115 altersgerechten Wohnungen und einem ambulanten Pflegedienst. Für Lazay geht es um die "Gesamtqualität der Pflege im Interesse der zu Pflegenden." Individuelle Bedürfnisse dürften trotz der Pflege-Normen nicht zu kurz kommen. "Für uns sind Individualität, große Selbstbestimmtheit, die Begegnung zwischen Bewohnern und Angehörigen und eine liebevolle Betreuung entscheidend", sagt Lazay, "dies entspricht unserem christlichen Menschenbild". Auch das Essen sei wichtig und solle "wie zu Hause" schmecken. Bei den Noten durch den Pflege-TüV liegen die Burghof-Heime bei 1,0 bis 1,1. Selbst verschärfte Kontrollen schrecken die Heim-Vorsteherin nicht.
Um die Betreuung in den Pflegeheimen zu sichern, sollen künftig Chinesinnen nach Deutschland geholt werden. Anett Lazay hat damit kein Problem: "Der Pflegenotstand wird dies erfordern. Wir machen keinen Unterschied zwischen den Nationalitäten. Wichtig sind aber Sprachkenntnisse." Wenn Ausländer als Pflegekräfte beschäftigt würden, dürfe das aber nicht zu Dumpinglöhnen führen. "Die Arbeit in der Pflege ist schwer, davon muss man leben können. In der Diakonie wird deshalb gut bezahlt."
MDK-Chef Rehboldt sieht allerdings die Lösung des Problems nicht in den ausländischen Pflegekräften, sondern in mehr einheimischen Interessenten: "Pflegeberufe müssen eine höhere Wertigkeit erhalten."