Plötzlich Pflegefall: Worauf es in der ersten Zeit ankommt
Dortmund - Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall stellen das Leben einer Familie in Sekunden auf den Kopf. Nach dem ersten Schock kommt die Frage auf: Bleibt der Angehörige pflegebedürftig? Stefan Palmowski von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) gibt Rat, worauf es in der ersten Zeit ankommt.
Sich beraten lassen: Wichtig ist erst einmal, sich beraten zu lassen. Dafür gibt es überall in Deutschland trägerunabhängige Pflegeberatungsstellen. Die sind etwa bei den Kommunen angesiedelt. Palmowski rät, einfach bei der Stadt oder Kommune anzurufen, um den Kontakt der heimischen Beratungsstelle zu bekommen. Auch das Zentrum für Qualität in der Pflege bietet unter
bdb.zqp.de eine Übersicht. Im Krankenhaus oder der Reha-Klinik können sich Angehörige außerdem an den Sozialdienst wenden. Er muss sich auch darum kümmern, dass direkt nach der Entlassung nicht plötzlich die nötige Hilfe wegbricht.
Früh einen Antrag stellen: Einen Antrag auf eine Pflegestufe stellt man möglichst früh. "Wenn man den Eindruck hat, dass derjenige auf Dauer, das heißt über ein halbes Jahr, auf Unterstützung angewiesen ist", erklärt Palmowski. Dafür können Angehörige auch auf die Einschätzung der Ärzte setzen. "Man muss ein bisschen versuchen, in die Zukunft zu schauen." Grundsätzlich gelte aber: Lieber früher als später einen Antrag stellen, um über die finanziellen Aspekte mehr Sicherheit zu bekommen. Den Antrag adressiert man an die Pflegekasse, die bei der Krankenkasse angesiedelt ist. Der Medizinische Dienst kann schon direkt im Krankenhaus oder der Reha-Klinik prüfen, ob mindestens die erste Pflegestufe erreicht ist - später kann er noch einmal genauer prüfen.
Zeit nehmen: Um die Pflege zu organisieren, braucht es Zeit. "Als Angehöriger habe ich das Recht, mir ein paar Tage freizunehmen." Bis zu zehn Tage dürfen Arbeitnehmer von der Arbeit fernbleiben, um die Pflege eines nahen Angehörigen zu organisieren. Danach gibt es die Möglichkeit der Pflegezeit: Demnach können sich Arbeitnehmer bis zu 6 Monate unbezahlt für die Pflege des Angehörigen von der Arbeit freistellen lassen. Außerdem gibt es im Rahmen der Familienpflegezeit die Möglichkeit, die Arbeit maximal 24 Monate lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche für die häusliche Pflege zu reduzieren.
Besuch vorbreiten: Kommt der Medizinische Dienst nach Hause, um die Pflegebedürftigkeit einzuschätzen, bereiten Angehörige den Besuch am besten etwas vor. Mit Hilfe eines Pflegetagebuchs können sie zum Beispiel genau festhalten, was der Pflegebedürftige nicht mehr selbstständig machen kann und wie viel Zeit die Hilfe in Anspruch nimmt. "Wenn ich da mit Beispielen arbeiten kann, ist das immer gut." Wirkt der Pflegebedürftige auf den ersten Blick relativ fit, ist aber sehr wacklig auf den Beinen, ist die Sturzgefahr dem Medizinischen Dienst vielleicht erst gar nicht ersichtlich. Außerdem empfiehlt Palmowski, wenn möglich die Arztberichte bereitzuhalten. Hilfreich sind auch Aufzeichnungen, welche Hilfsmittel und Medikamente vom Arzt verordnet worden sind.
Pflegedienst auswählen: Besteht eine Pflegebedürftigkeit und man hat Anspruch auf bestimmte Leistungen, gilt es nun, sie entsprechend einzuteilen. Das ist gar nicht so leicht: Denn von der Pflegekasse kommt die finanzielle Unterstützung - nun muss man aber selbst mit dem Pflegedienst aushandeln, wie man diese am besten ausschöpft. Auch hier können aber die Pflegeberatungsstellen aushelfen. Sie bieten auch Hausbesuche an.
Bei der Wahl des Pflegedienstes gilt es, einige Fragen zu klären, zum Beispiel: Welche Qualifikation hat das Personal? Wie flexibel kann es aushelfen? Für manche Pflegebedürftige ist es außerdem wichtig, dass es eine gewisse Kontinuität gibt, also häufig die gleichen Pflegekräfte kommen und nicht jeder Tag ein neuer fremder Mensch. Eine Übersicht über Pflegedienste gibt es zum Beispiel unter
www.weisse-liste.de. Dort können Angehörige auch die Kosten für verschiedene Leistungen einsehen und die Pflege entsprechend planen.